Die Hurenkönigin (German Edition)
Es schnitt ihm jedes Mal ins Herz, wie Christoph seine Ärmchen nach ihm ausstreckte, wenn ihn Josef aus dem Wäschekorb nahm, der als Wiege diente. Ein richtiger Kümmerling, dachte der Bauernsohn aus der Wetterau bedrückt. Mit diesem Ausdruck hatte sein Vater immer die schwächsten Ferkel bezeichnet.
In Momenten wie diesem verfluchte er, dass er keinen anständigen Beruf gelernt hatte, der es ihm ermöglicht hätte, eine Familie zu ernähren.
Die Tatsache, dass er Rosi nicht bei der Wäscherin angetroffen hatte, verhagelte ihm noch zusätzlich die Laune. Wo treibt sich denn das Weibsbild nur rum?, dachte er. Arbeitet sie neuerdings vielleicht in die eigene Tasche, oder hat sie einen anderen Kerl?
Wenn er ehrlich war, hätte er ihr das noch nicht einmal verdenken können – so oft, wie er sie schon betrogen hatte. Obgleich ihm Rosi alles andere als egal war – sie war die drallste Hure im ganzen Frauenhaus, und die Kerle waren alle ganz verrückt nach ihr –, konnte er sich doch nicht mit einer einzigen Frau zufriedengeben.
Er betrat die Schenke, um seine Schwermut mit Bier hinunterzuspülen. Als er sich beim Wirt einen Krug bestellte, richteten sich die Augen aller Schankgäste auf ihn, fast so, als hätte man gerade über ihn gesprochen.
»Wirst dich am besten schon mal nach einer anderen Arbeit umschauen. Eure Spelunke werden sie bestimmt auch bald zumachen!«, krähte ein beleibter, kahlköpfiger Mann durch die Wirtsstube und erntete damit hämisches Gelächter.
Josef, dem nicht der Sinn nach Ansprache stand, blickte verärgert zu ihm hinüber und erkannte den Bader aus der Badestube am Knäbleinsborn, der augenscheinlich schon einiges über den Durst getrunken hatte.
»Halt die Klappe, Ottmar, und lass mir meine Ruhe«, blaffte er den Betrunkenen an und ließ sich an einem freien Tisch in der Ecke nieder. Er konnte den Badestubenpächter sowieso nicht ausstehen, was zu einem Gutteil daran lag, dass Badestuben, in denen oft heimlich Prostitution betrieben wurde, für die Frauenhäuser eine unliebsame Konkurrenz darstellten. Außerdem war der Bader genau wie Josef nebenbei noch als Kuppler tätig, und gelegentlich lieferten sich die beiden Kontrahenten handfeste Auseinandersetzungen.
»Ich möchte nicht wissen, wie viele von euren Weibern schon die Geschlechtspest haben und sich trotzdem noch einen verpassen lassen«, pöbelte der gedrungene Bader. Offensichtlich war ihm daran gelegen, einen Streit vom Zaun zu brechen.
Josef, sowieso schon in gereizter Stimmung, hatte sich vom Stuhl erhoben und richtete sich nun bedrohlich auf.
»Dass die Weiber in eurem Drecksloch krank geworden sind, wundert mich nicht!«, polterte er. »Bei euch kann man doch schon die Krätze kriegen, wenn man bloß ein einfaches Bad nimmt, das weiß doch ein jeder! Unsere Mädels sind sauber und gesund. Und wer was anderes sagt, der kriegt eins auf die Fresse!«
Josef hatte die Fäuste geballt und warf nun auch den übrigen Schankgästen wütende Blicke zu, was dazu beitrug, dass den Spöttern ihre Schadenfreude augenblicklich abhandenkam. Denn keiner von den einfachen Mainfischern und Handwerksburschen hätte es gewagt, sich mit dem wehrhaften Frauenhausknecht anzulegen.
Nur Ottmar machte unbekümmert weiter: »Von wegen, da hab ich aber schon was ganz anderes gehört!«
»Jetzt reicht’s aber!« Wie ein Kampfhahn stolzierte Josef auf den Krakeeler zu. »Was willst du denn gehört haben?«
»Dass eure Grabennymphen dreckig sind und stinken!«, brüllte ihm der Betrunkene entgegen, der sich ebenfalls erhoben hatte. Im nächsten Moment krachte Josefs Faust auf sein Kinn, und der massige Bader torkelte benommen zu Boden. Doch nach kurzem Schütteln richtete er sich schwerfällig wieder auf. Obwohl er angeschlagen war, behielt sein Zorn die Oberhand. Er holte aus und schmetterte Josef, ehe dieser sich wegducken konnte, die Rechte ins Gesicht. Nun gab es kein Halten mehr, und zwischen den beiden stiernackigen Burschen entbrannte eine wilde Schlägerei, die erst durch eine entschiedene Kopfnuss, die Josef seinem Widersacher verpasste, ihr Ende fand.
Als der korpulente Bader bewusstlos auf dem Boden lag, wischte sich Josef das Blut vom Gesicht und humpelte unter den angespannten Blicken des Wirts und seiner Schankgäste an seinen Tisch zurück. Dort ergriff er den noch vollen Bierkrug und leerte ihn in einem Zug. Dann nestelte er eine Münze aus der Hosentasche, knallte sie auf den Tisch und verließ grußlos die
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