Die Hurenkönigin (German Edition)
alles morgen dem Senat melden. Und nun hoffe ich inständig, dass die Rosi wieder auftaucht!«
»Das hoffe ich auch. Aber ich denke, wir sollten trotzdem schon mal unsere Abrechnung machen«, schlug die Lohnsetzerin vor. »Am Nachmittag kommt der Henker, um die Einnahmen abzuholen. Da wäre es doch gut, wenn wir damit fertig wären. Außerdem bringt uns das vielleicht auf andere Gedanken.«
»Gut, dann hol ich schon mal die Lade«, erwiderte Ursel und erhob sich, um die Kasse mit den Schlafgeldern aus ihrem Zimmer zu holen.
Bernhard von Wanebach war ebenfalls aufgestanden. »Ich geh dann mal«, sagte er zu Ursel und küsste sie zum Abschied. »Gegen Abend komme ich wieder.«
Ursel blickte verliebt hinter ihm her. Nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht hatte Bernhard ihr einen Heiratsantrag gemacht, und Ursel hatte zunächst zugestimmt. Als Bernhard wenig später im Kreise seiner Angehörigen verkündete, dass er die Absicht habe, Ursel Zimmer zu ehelichen, drohte der Familienpatriarch, ihn zu enterben. Bernhard ließ ihn daraufhin wissen, dass er es darauf ankommen lasse, und eilte zu einem befreundeten Pfarrer, um das Aufgebot zu bestellen.
Doch Ursel wollte nicht, dass der Mann, den sie liebte, gezwungen war, als armer Lateinlehrer sein Dasein zu fristen. Daher weigerte sie sich nun, ihn zu heiraten. Außerdem, so erklärte sie ihm, brauchten zwei, die einander so verbunden seien, nicht noch eine Bestätigung durch die Kirche.
Bernhard ließ sich schließlich überzeugen, und die Liebenden einigten sich darauf, dass jeder seine Eigenständigkeit behalten sollte. Das Paar traf sich nur an den Sonn- und Feiertagen, wenn das Frauenhaus geschlossen hatte.
Auch wenn Bernhard und Ursel zusammenhielten wie Pech und Schwefel, so hatte doch dank dieser Übereinkunft in ihrer Liebe nie der Alltag Einzug gehalten, und sie hatten sich so den Zauber bewahrt. Die Huren wussten um das Liebesglück, und auch wenn sie die Hurenkönigin zuweilen im Stillen beneideten, gab es doch keine unter ihnen, die es ihr missgönnt hätte.
Ursel kehrte mit der hölzernen Lade zurück, in der sich die wöchentlichen Schlafgelder der Huren befanden, und stellte sie vor sich und die Lohnsetzerin auf den Tisch. Sie zückte einen Schlüssel und schloss sie auf. Im Inneren befanden sich kleine abgeteilte Fächer mit Geldstücken, die mit dem jeweiligen Namen der Huren versehen waren.
Grid entnahm der Reihe nach die Münzen, zählte sie und schrieb die Zahlen säuberlich auf einen Papierbogen. Dann fing sie an, den Verdienst der einzelnen Frauen zu berechnen, also das, was ihnen abzüglich der angefallenen Ausgaben für Essen, Wein und Unterkunft noch zustand. Nachdem davon noch jeder dritte Pfennig abgezogen worden war, der an den Magistrat der Stadt Frankfurt abgeführt werden musste, um zwischen dem Senat und verschiedenen geistlichen Stiften aufgeteilt zu werden, bekam jede Hure von der Lohnsetzerin das ihr Zustehende ausgezahlt.
Als Grid anschließend der Hurenkönigin die Dirnensteuer übergab, die an den Henker weitergegeben wurde, spiegelte sich Zufriedenheit auf den Mienen der Hübscherinnen.
Die Zimmerin erklärte: »So, jetzt krieg ich noch von jeder einen Pfennig für unsere gemeinsame Büchse, und dann werden wir mal langsam zu Mittag essen«, und warf ihren eigenen Anteil von zwei Pfennigen in das Behältnis. Dessen Inhalt wurde verwendet, wenn eine von ihnen krank wurde und ihren Unterhalt nicht mehr bestreiten konnte, aber auch, um der Jungfrau Maria und den Schutzheiligen der Huren jeden Sonntag eine Kerze zu stiften.
Während sich die Frauen der Reihe nach von ihren Plätzen erhoben und Kupfermünzen in die Dose legten, waren draußen plötzlich Schritte zu vernehmen.
»Josef, bist du es?«, rief die Hurenkönigin mit angehaltenem Atem.
»Ja, Meistersen«, antwortete Josef und trat in die Wohnstube.
»Ach, du kommst alleine! War die Rosi denn nicht da?«, fragte Ursel besorgt. Als sie dann die Schrammen in seinem Gesicht und das blaue Auge gewahrte, schlug sie die Hände zusammen. »Wie siehst du denn aus! Was ist denn wieder passiert?«
»Nichts weiter. Da ist einer frech geworden und hat ein paar aufs Maul gekriegt«, brummte Josef bärbeißig.
»Wenn ich das schon wieder höre! Dass du dich immer prügeln musst … Das wirft nicht gerade das beste Licht auf uns«, schimpfte die Hurenkönigin und wies die Köchin an: »Bertha, bring ihm einen kalten Umschlag. – Und du setzt dich jetzt hierher und erzählst.«
Der
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