Die Hurenkönigin (German Edition)
rötete sich vor Erbitterung.
Die Zimmerin musste unwillkürlich grinsen. Der führt sich ja auf wie ein eifersüchtiger Gockel, dachte sie, wohl wissend, worauf seine Empörung fußte: Zum einen zählte Rosi schon seit einiger Zeit zu seinen Favoritinnen, was er mit anderen Honoratioren gemeinsam hatte, zum anderen ärgerten ihn Rosis vermeintliche Extratouren, die dem Stadtsäckel schadeten.
Wenig später klopfte es an der Tür, und der Obergassenmeister Anton Rack betrat die Amtsstube des Bürgermeisters. Mit seiner gedrungenen Statur und dem Doppelkinn glich Rack einer wohlgenährten Bulldogge. Er war Hauptmann der Frankfurter Sittenpolizei, die gegen heimliche Prostitution vorging und darauf zu achten hatte, dass keine Geistlichen oder Nichtchristen das Frauenhaus aufsuchten. Ursel kannte den Obergassenmeister schon seit vielen Jahren und hatte zu ihm ein kameradschaftliches Verhältnis.
»Rack, Ihr müsst umgehend eine Fahndung einleiten«, erklärte der Bürgermeister seinem Untergebenen. »Im Frauenhaus am Dempelbrunnen wird seit Samstagabend die Hure Roswitha vermisst. Wir haben Grund zu der Annahme, dass sie sich mit so einem fahrenden Tunichtgut irgendwo in der Stadt herumtreibt. Ich erwarte von Euch, dass Ihr die Gassenmeister anweist, sämtliche Spelunken, Bettlerherbergen, Badestuben und andere Beizen nach den beiden abzusuchen. Und lasst auch das Galgenviertel nicht außen vor!« Die Stimme von Bürgermeister Reichmann dröhnte durch die Amtsstube, was den Obergassenmeister jedoch nicht aus der Ruhe zu bringen schien. Breitbeinig und mit verschränkten Armen verharrte er vor dem Schreibtisch des Bürgermeisters.
»Da brauche ich schon eine etwas genauere Beschreibung«, insistierte der beleibte Mann.
»Auf, Zimmerin, beschreibt ihm haarklein, wie die beiden aussehen, und vergesst dabei bloß nicht, auch das gelbe Gewand der Hübscherin zu erwähnen!«, mokierte sich der Bürgermeister und verdrehte die Augen.
Die Hurenkönigin überlegte. »Rosi ist natürlich auffällig, drall und vollbusig in ihrer gelben Hurentracht, den safrangelben Haaren und der Schminke im Gesicht …«, murmelte sie. »Bei dem Landgänger ist das schwieriger.« Die Hurenkönigin beschrieb, woran sie sich erinnerte, auch wenn das nicht viel war.
»Gut, wir schwärmen gleich aus«, erwiderte Rack und wandte sich der Tür zu.
»Halt, da fällt mir noch etwas ein«, rief ihm die Hurenkönigin nach und erzählte von der verächtlichen Botschaft an der Tür des Frauenhauses. »Es wäre gut, wenn ihr das Frauenhaus in den nächsten Tagen im Auge behalten könntet«, fügte sie hinzu.
Rack nickte und entschwand.
Der Bürgermeister war bei Ursels Worten aschfahl geworden und fächelte sich Luft zu. »Ein dummer Bubenstreich, mehr nicht«, sagte er beschwichtigend und verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen.
»Der Meinung bin ich nicht«, erwiderte die Zimmerin und berichtete ihm empört von der Hetzpredigt des Pfarrers.
Reichmann hüstelte. »Schlimme Sache, das mit der … äh … Geschlechtspest!«, murmelte er, erhob sich von seinem Schreibtisch und trat an das Wandbord, das sich über die ganze Längsseite seines Amtszimmers zog. Dort ergriff er eine Kristallkaraffe und schenkte sich etwas in einen Zinnbecher. »Wollt Ihr auch einen Schluck?«, fragte er die Hurenkönigin. »Das ist ein edler Weinbrand. Ein Geschenk des französischen Gesandten.«
»Nein, danke«, beschied ihn die Zimmerin kühl. »Noch nicht so früh am Morgen.«
»Ich brauche jetzt einen«, erklärte Reichmann mit rauer Stimme und kippte den Inhalt in einem Zug hinunter.
Während er sich wieder hinter seinem Schreibtisch niederließ, hielt er die Hand an den Bauch. »Mir schlägt diese Geschichte nämlich ganz schön auf den Magen.«
»Welche Geschichte denn?«, erkundigte sich die Zimmerin und sah ihm ungerührt ins Gesicht.
»Na, das mit der Geschlechtsseuche, meine ich«, erwiderte Reichmann gepresst. »Ihr glaubt ja gar nicht, was seitdem im Rathaus los ist! Am Freitag kamen schon die ersten Petitionen. Und die Stadtärzte sind von morgens bis abends unterwegs. Das Badestubengesinde muss zuerst untersucht werden, denn die Warmbäder scheinen ja die reinsten Seuchenherde zu sein, und wir haben immerhin ein gutes Dutzend Badehäuser in Frankfurt. Und dann seid ihr dran, obwohl die Frauenhausdirnen ja im Gegensatz zu den Bademägden ohnehin regelmäßig vom Arzt visitiert werden. Aber im Lauf der Woche müsst ihr schon damit rechnen … Es
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