Die Hurenkönigin (German Edition)
aufrechten Bürger. Bernhard führte Ursel in seine Wohnstube und ließ sich mit ihr auf einem Diwan nieder.
»Dieser verdammte Roddach!«, fluchte die Hurenkönigin. »Dem kommt diese Geschlechtskrankheit doch gerade recht, dann kann er endlich dafür sorgen, dass das Frauenhaus geschlossen wird. Und die Betschwestern vom Sankt-Spiritus-Orden, die gehen uns doch sowieso schon genug auf die Nerven. Kommen ständig ins Frauenhaus und bieten den Mädels an, sie während der stillen Woche bei sich aufzunehmen, damit sie in dieser Zeit die Sünde meiden und zu einem anständigen Leben zurückfinden.« Die Zimmerin lächelte spöttisch.
»Es ist eine alte christliche Tradition, die Huren zu bekehren«, bemerkte Bernhard von Wanebach. »Schon die Urchristen hatten großes Interesse daran, Prostituierte ihrem verderblichen Leben zu entreißen. Das große Vorbild der reuigen Sünderin war die heilige Maria Magdalena.«
»Gegen die hab ich ja auch gar nichts. Im Gegenteil, sie ist ja unsere Schutzpatronin, und wir stiften am Magdalenentag immer eine Kerze für sie. Aber gegen diese scheinheiligen Frömmler habe ich sehr wohl was. Da halten sie sich ihre Pfaffendirnen und Lustknaben, und gegen uns ziehen sie zu Felde!«, erwiderte Ursel aufgebracht. »Von denen kann mich jedenfalls keiner zur fleischlichen Enthaltsamkeit bekehren!«
»Das wäre auch jammerschade, meine Schöne, und überdies eine nicht mehr gutzumachende Sünde«, spöttelte Bernhard und umarmte sie. Unwillkürlich musste er an den Brief denken. Er mochte Ursel zwar nicht beunruhigen, aber in Anbetracht der Umstände hielt er es nun doch für angemessen, ihr davon zu berichten.
Nachdem sie das Schriftstück in Augenschein genommen hatte, konstatierte die Hurenkönigin erbittert: »Das kommt alles von der Bagage, die uns in dieses Büßerinnenhaus stecken will!«
»Da könntest du recht haben«, stimmte ihr Bernhard zu. »Die Eheschließung mit einer bekehrten Prostituierten wird von den Kirchenvätern als eine fromme Tat bezeichnet. Vorausgesetzt natürlich, dass die Eheleute in völliger Enthaltsamkeit leben und nur noch der geistlichen Buhlschaft frönen«, ergänzte er sarkastisch.
»In solchen Magdalenenhäusern leben die Frauen wie Gefangene«, sagte die Hurenkönigin. »Sie müssen Röcke und Mäntel aus grobem Sackleinen tragen und werden zu schwerer Arbeit angehalten. An der Spitze einer solchen Rettungsanstalt steht meist eine ehrbare fromme Frau, die den Insassinnen das Leben zur Hölle macht, indem sie sie permanent beaufsichtigt und kontrolliert. Das hat mir die Wiener Lisbeth erzählt, die war schon einmal in so einer Besserungsanstalt. Dort herrschen schlimmste Zustände. Bei den kleinsten Verfehlungen werden die Büßerinnen geschlagen und misshandelt. Und die Unglückseligen, die ins Straucheln geraten und bei der Unzucht ertappt werden, die ersäuft man kurzerhand in der Donau. Zum Glück ist es Lisbeth gelungen, aus diesem Zuchthaus zu flüchten, sonst hätte sie wahrscheinlich auch ein solches Ende gefunden. Ich gehe jedenfalls nicht in so ein Büßerinnenhaus!«, stieß sie hervor und verfiel ins Grübeln.
Seit dem frühen Morgen regnete es ununterbrochen, und die Stimmung der Huren war an diesem Dienstagabend ebenso trübe wie das Wetter. Ganze fünf Freier hatten sich im Lauf des Tages im Frauenhaus blicken lassen, und je später es wurde, desto missmutiger wurden die Hübscherinnen. Anstatt Garn zu spinnen oder Wäsche zu flicken, was ihnen seitens der Stadt für unbeschäftigte Stunden auferlegt war, betranken sich die meisten aus Langeweile und Verdruss. Auch der Frauenhausknecht war in Ermangelung von Schankgästen inzwischen sein bester Kunde. Die Hurenkönigin suchte hier und da ein wenig zu zügeln, aber sie hing genau wie die anderen düsteren Gedanken nach.
»Was für ein Sauwetter«, schimpfte die bayrische Agnes und trat ans geöffnete Fenster, hinter dem der Regen strömte. »Kein Wunder, dass die Kundschaft wegbleibt.«
Die anderen Huren schwiegen bedrückt. Sie wussten nur allzu gut, dass das Ausbleiben der Freier nicht allein am Wetter lag.
»Ach, ich glaube, da kommt einer«, verkündete Agnes plötzlich und setzte sich in Positur.
Von der Tür her waren tatsächlich Schritte zu vernehmen, und auch ihre Kolleginnen fingen an, sich die Mieder zu richten, um ihre Reize zur Geltung zu bringen. Die Blicke der Frauen richteten sich erwartungsvoll auf die Tür des Schankraums. Herein trat Obergassenmeister Rack,
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