Die Hurenkönigin (German Edition)
dessen Kapuzenmantel vor Nässe troff.
»So eine Scheiße!«, entfuhr es der alten Irmelin bei seinem Anblick, und auch andere Huren murrten.
»Ich muss doch sehr bitten«, entgegnete der korpulente Mann und entledigte sich seines nassen Umhangs.
»Haltet die Klappe, Mädchen! Ich will wissen, was mit der Rosi ist«, fuhr die Hurenkönigin dazwischen und bot dem Gassenmeister einen Stuhl an. Auf ihren Wink hin brachte Josef einen Zinnbecher mit Wein und stellte ihn vor Rack auf den Tisch.
»Danke, Zimmerin«, ächzte der Leiter der Sittenpolizei und nahm einen tiefen Schluck. Dann berichtete er.
»Wir haben die ganze Stadt und auch das Viertel der Unehrlichen nach den beiden abgesucht, doch leider ohne Erfolg. Niemand hat die Hure gesehen oder konnte uns etwas über ihren Verbleib sagen. Immerhin haben wir herausgefunden, wie der Hausierer heißt. Es handelt sich um einen gewissen Georg Balzer, einen Landgänger aus der Wetterau. Der kampiert immer, wenn er hier in Frankfurt ist, in der Elendsherberge am Liebfrauenberg. Der Herbergsbetreiber Karl Schuch kennt ihn schon seit vielen Jahren, und er sagte uns, Balzer wäre zwar ein armer Teufel, aber alles in allem nicht verkehrt. Schuch konnte sich daran erinnern, dass Balzer in der Nacht zum Sonntag, also in der Nacht, in der er auch im Frauenhaus war, ziemlich besoffen damit geprahlt hat, er habe bei einer gewissen Rosi aus dem Frauenhaus einen Stein im Brett. Na, sie habe ihm angeblich angeboten, dass er bei ihr umsonst drüberrutschen dürfe …«, erläuterte Rack und senkte betreten den Blick, als die Huren bei dieser Bemerkung in lautes Gelächter ausbrachen.
»Wer’s glaubt, wird selig«, mokierte sich die Jennischen Marie. »Der darf sich bei ihr vielleicht kostenlos einen runterholen, aber außer ihrem geliebten Josef würde die Rosi doch keinen für lau ranlassen. Und wieso auch? Wir sind ja schließlich nicht bei den Barmherzigen Schwestern …«
»Halt die Gosche, Jennischen!«, fiel ihr die Zimmerin ins Wort, die Racks Ausführungen mit angespanntem Gesichtsausdruck gelauscht hatte. »Da kann momentan keiner drüber lachen. Immerhin ist eine unserer Gildeschwestern verschwunden. Also, ich frage mich jedenfalls, wie kommt dieser Kerl dazu, so etwas zu behaupten?«
»Aus Angeberei vielleicht?«, murmelte Rack und genehmigte sich noch einen Schluck.
»Da muss mehr dahinterstecken«, widersprach die Zimmerin und dachte nach. »Ich weiß es ja auch nicht, aber vielleicht hat sie ihm ja wirklich so ein Angebot gemacht. Wenn er sie dafür mitnimmt.«
»Aber du hast doch selbst gesagt, dass du dir nicht vorstellen kannst, dass die Rosi mit so einem mitgegangen ist«, unterbrach Ingrid ihren Gedankenfluss und runzelte skeptisch die Stirn.
»Das stimmt. Aber wer weiß, was er ihr versprochen hat. Der muss sie mit irgendwas gelockt haben …«
»Womit sollte denn ein solcher Habenichts eine Hure, die im Frauenhaus mit die besten Verdienste erzielt, locken können?«, gab die schlaue Grid zu bedenken.
»Mit mindestens dem Doppelten von dem, was sie hier verdient«, ertönte die Stimme des Frauenhausknechts vom Tresen her. »Das hat Methode bei diesen Mädchenhändlern. Sie versprechen den Weibern das Blaue vom Himmel, machen ihnen großzügige Geschenke oder stecken ihnen auch mal einen Silbertaler zu, um sie abzuwerben. Und wenn sie die blöden Hühner dann sicher unter ihrer Fuchtel haben, kriegen sie alles wieder abgenommen und noch ein paar auf die Backen.«
»Kann es sein, dass der Landgänger die Rosi vielleicht irgendwo versteckt hält?«, wollte die Hurenkönigin in ernstem Tonfall wissen.
»Das weiß ich nicht«, entgegnete Rack. »Wir haben jedenfalls gründlich nach ihr gesucht und sie nirgendwo entdecken können. Und mehr können wir momentan auch nicht machen. Wir haben sowieso schon genug um die Ohren, jetzt, wo in Frankfurt die Lustseuche ausgebrochen ist. Der Bürgermeister hat angeordnet, dass wir alle heimlichen Huren ausfindig machen und aus der Stadt treiben müssen. – Seid mir nicht böse, Zimmerin, aber der Reichmann hat entschieden, dass wir die Nachforschungen nach der Hübscherin Roswitha einstellen sollen.«
Als Bernhard von Wanebach am Mittwochmorgen aus dem Haus trat, fiel sein Blick unwillkürlich auf die Türschwelle, und zwar auf jene Stelle, wo er vor zwei Tagen die Nachricht vorgefunden hatte. Die seltsame Botschaft ging ihm nicht mehr aus dem Sinn, er zerbrach sich den Kopf darüber, wer wohl dahinterstecken
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