Die Hurenkönigin (German Edition)
die Freunde noch die Köpfe heißredeten und in der Angelegenheit zu keiner rechten Einigung gelangen konnten, ertönte von unten plötzlich ein lauter Schlag, dem das Klirren von zerbrochenem Glas folgte. Alle drei stürzten erschrocken ans Fenster und sahen gerade noch, wie eine Horde Halbwüchsiger das Weite suchte.
Die Zimmerin riss wütend das Fenster auf. »Ihr Mistbälger!«, schrie sie den Flüchtenden hinterher.
Einer von ihnen blieb stehen, wandte sich um und rief: »Wer einen Fuß im Hurenhaus hat, steht mit dem andern schon im Grab!«
Während seine Kumpane noch dröhnend lachten, war Josef bereits nach draußen gestürzt und hechtete den Burschen hinterher. Gleich darauf wurde er auch schon des Wortführers habhaft, nahm ihn in den Schwitzkasten und verpasste ihm ein paar schallende Ohrfeigen. Dann entließ er ihn mit einem Tritt ins Hinterteil und der Ermahnung, sich bloß nicht mehr in der Nähe des Frauenhauses blicken zu lassen.
Am Donnerstagmorgen erschien um die neunte Stunde der städtische Scharfrichter Jerg Kalbfleisch im Frauenhaus und eröffnete der Hurenkönigin, dass sie für die entlaufene Hübscherin baldigst einen Ersatz zu suchen habe.
Die Zimmerin war noch im Nachtgewand und nicht hergerichtet, denn eigentlich öffnete das Frauenhaus erst um die Mittagszeit. Sie blinzelte den breitschultrigen Mann mit den groben Gesichtszügen, der von der Stadt mit der Verwaltung des Frauenhauses betraut war, aus verschlafenen Augenschlitzen an.
»Vielleicht hätte sich die Stadt mit der Suche nach Rosi ja auch ein bisschen mehr Mühe geben können«, murmelte sie ärgerlich. »Ich kann mir immer noch nicht vorstellen, dass sie sich einfach so davongeschlichen hat …«
»Damit werdet Ihr Euch wohl abfinden müssen, Zimmerin.« Der Scharfrichter, der mit der Hurenkönigin schon mehrfach aneinandergeraten war, zuckte mit den Schultern und wollte sich schon wieder davonmachen, da zeigte ihm Ursel die zerborstenen Butzenscheiben an der Frontseite des Aufenthaltsraumes und berichtete ihm, was sich am gestrigen Vormittag zugetragen hatte.
Obwohl dem Henker die aufmüpfige Hurenkönigin oftmals gegen den Strich ging, so nötigten ihm ihre Offenheit und Geradlinigkeit doch auch einen gewissen Respekt ab. Der Mann, der aufgrund seiner Profession selber zu den Verachteten zählte, blickte betroffen. »Drecksbankerte«, fluchte er. »Ich schicke Euch gleich jemand vorbei, der das repariert.«
Ursel spürte, dass ihr der Züchtiger heute gewogen war, nutzte die Gunst der Stunde und berichtete von dem Anschlag an der Tür des Frauenhauses. Dann erläuterte sie ihm auch die weiteren Zusammenhänge, die sich in der Angelegenheit abzeichneten.
Der Henker hörte ihr mit ernster Miene zu. »Habt Ihr das schon dem Rat gemeldet?«, fragte er.
»Ja, das habe ich«, seufzte die Zimmerin und winkte ab. »Der Bürgermeister ist der Ansicht, dass es sich dabei um einen dummen Bubenstreich handelt und mehr nicht. Und die Gassenmeister haben momentan keine Zeit, sich um so was zu kümmern. Jetzt, wo die Lustseuche ausgebrochen ist, sind sie verschärft dazu angehalten, Jagd auf die freien Huren zu machen, die überall in der Stadt auf Kundenfang gehen.« Die Zimmerin blickte den Henker eindringlich an. »Meister Jerg, ich frage mich manchmal, ob nicht diese Frömmler hinter Rosis Verschwinden stecken könnten …«
»Zuzutrauen wäre es ihnen …«, erwiderte der Henker. Als er das Erstaunen der Hurenkönigin gewahrte, fügte er hinzu: »Bei diesen Pfaffen ist doch alles möglich! Die machen uns zurzeit viel Arbeit, indem sie zauberische Weiber und Teufelsanbeter bezichtigen. Die müssen wir dann bis aufs Blut quälen, damit sie ihre Freveltaten gestehen – und sie gestehen immer. Auch wenn sie unschuldig sind. Und wenn ich mir dabei die Gesichter dieser Mönche anschaue, wie sehr sie sich daran ergötzen, könnte ich das Grausen kriegen!«
Die Hurenkönigin hätte dem grobschlächtigen Mann so tiefe Einsichten gar nicht zugetraut. »Ihr seid ja ein Menschenkenner, Meister Jerg«, murmelte sie anerkennend.
»Dann haben wir was gemeinsam«, knarzte der Scharfrichter grinsend. »In Eurem wie in meinem Gewerbe zeigt der Mensch sein wahres Gesicht.«
»Wohl wahr«, erwiderte die Zimmerin und empfand zum ersten Mal aufrichtige Sympathie für den Mann des Todes.
Dem Henker schien es ähnlich zu ergehen. »Wenn Ihr tatsächlich einmal so eine Klosterfrau auf frischer Tat ertappt, dann haltet sie fest und ruft mich
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