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Die Hurenkönigin (German Edition)

Die Hurenkönigin (German Edition)

Titel: Die Hurenkönigin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Amte gewissenhaft und verlässlich nachgegangen ist und es sich bei dem genannten Versäumnis um das erste seiner Art handelt, ist der Magistrat zu der Entscheidung gelangt, die Kündigung auszusetzen und es einstweilen bei einer schriftlichen Abmahnung zu belassen. Sollte es jedoch zu weiteren Verfehlungen kommen, tritt die Kündigung unweigerlich in Kraft. – Zimmerin, dieses Schreiben ist für Euch.«
    Die Hurenkönigin sah ihn fassungslos an und brachte vor Schreck kein Wort heraus. Wie eine Schlafwandlerin erhob sie sich und nahm das Schriftstück mit dem Frankfurter Siegel aus den Händen des Bürgermeisters entgegen.
    »Ich habe doch …«, sagte sie mit brüchiger Stimme.
    Der Bürgermeister unterbrach sie barsch. »Ihr habt mir vor einer Woche noch versichert, dass die Frauen unter Eurer Obhut alle gesund sind, Zimmerin. Und jetzt haben wir drei Erkrankungen – sogar vier, wenn man die Ermordete mitrechnet!« Mit hochrotem Kopf wetterte Reichmann: »Seid froh, dass wir das Frauenhaus nicht sofort schließen, wie es zurzeit in zahlreichen Städten geschieht. Allein meiner Gegenrede und der Mehrheit des Senats habt Ihr es zu verdanken, dass dies nicht schon längst geschehen ist! Die Forderung danach wird indessen immer lauter. Verhaltet Euch also mucksmäuschenstill, liebe Zimmerin, und befolgt genau unsere Anweisungen!«
    Der Hurenkönigin blieben die Widerworte im Halse stecken, auch unter den Huren herrschte betroffenes Schweigen.
    Der Schultheiß maß Ursel mit strengem Blick und schien es auszukosten, dass er Oberwasser erlangt hatte und die sonst so streitbare Gildemeisterin bleich und schweigsam vor ihm saß.
    »Nun zu den drei Erkrankten«, fuhr er mit ernster Miene fort und verlas mit sonorer Stimme das nächste Dekret: »Die freien Töchter der Stadt Frankfurt am Main sind laut Frauenhausordnung verpflichtet, jede Erkrankung umgehend der Gildemeisterin zu melden. Da dies seitens der Betroffenen vorsätzlich unterlassen wurde, hat der Magistrat die Verbannung der beiden Dirnen angeordnet. Anna Däscher und Agnes Loiperdinger werden am Dienstag, den 26. Juli, um acht Uhr in der Früh von Gassenmeister Rack und seinen Helfern zum Mainzertor geführt, wo sie die Stadt verlassen müssen. Sie dürfen Frankfurt nicht mehr betreten und sich der Stadt nicht weiter als auf fünf Meilen nähern. Bei Übertretung ist die Stadt Frankfurt berechtigt, ihnen ohne Gerichtsprozess die Augen ausstechen zu lassen. Aus Milde verzichtet die Stadt jedoch darauf, sie an den Pranger zu stellen und sie der öffentlichen Verhöhnung auszusetzen. Sie erklärt sich aufgrund des Siechtums der Frauen außerdem dazu bereit, die Verbannten mit einem Zehrgeld von jeweils zehn Groschen auszustatten …«
    »Ich lasse es nicht zu, dass Ihr die Frauen ins Unglück stürzt«, fiel ihm die Zimmerin wütend ins Wort. Sie hatte unversehens ihren Kampfgeist wiedererlangt. »Schließlich habt Ihr eine Fürsorgepflicht gegenüber Euren Hübscherinnen zu erfüllen!«
    »Nicht, wenn sie straffällig geworden sind«, erklärte ihr Reichmann in scharfem Ton. »Zimmerin, hütet Eure Zunge, sonst entziehe ich Euch die Konzession! Die Zeiten, wo Ihr große Töne spucken konntet, sind vorbei. Das solltet Ihr doch allmählich kapiert haben …«
    Von allen Seiten waren Buhrufe und Flüche zu vernehmen, so dass der Würdenträger kaum noch sein eigenes Wort verstand. Die drei Ratsherren und der Bürgermeister tauschten unbehagliche Blicke, Reichmann war ganz bleich geworden.
    »Wenn hier nicht augenblicklich Ruhe herrscht, mache ich den Laden dicht! Dann könnt ihr alle schon morgen wieder als Wanderhuren durch die Lande ziehen«, sagte er eisig. »Dann ist es vorbei mit dem Wohlleben, das wir euch hier ermöglichen.«
    »Ihr meint wohl das Wohlleben, das wir Euch mit der Dirnensteuer ermöglichen!«, trumpfte die schlaue Grid auf und lächelte verächtlich.
    Reichmann ignorierte die Bemerkung und fuhr trotz des allgemeinen Aufruhrs fort: »Im Falle des Frauenhausknechtes Josef Ott ergeht folgender Beschluss …«
    In der Stube des Hurenhauses wurde es leiser.
    »Der Hausknecht Ott wird zum 1. August seines Dienstes im Frauenhaus enthoben, kann aber weiterhin in städtischen Diensten bleiben. Wir sind ja schließlich keine Unmenschen.« Mit gönnerhafter Miene erklärte der Schultheiß: »Im Sachsenhäuser Forst werden nämlich noch tüchtige Holzleute gesucht, und Er ist ja ein großes, starkes Mannsbild, das gut zupacken kann. Melde Er sich

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