Die Hurenkönigin (German Edition)
alles so schnell, und er war auch weit weg. Außerdem hatte sein Hut eine weite Krempe, da hat man vom Gesicht nicht viel gesehen.« Sie wandte sich an die Huren: »Würdet ihr ihn denn wiedererkennen?« Die Frauen schüttelten allesamt die Köpfe.
»Wann ist dieses Verhör?«, erkundigte sich die Zimmerin.
»Heut Nachmittag um drei.« Der Gassenmeister leerte den Bierkrug. »Ich gehe gleich zum Lederer und sag ihm, dass der Kerl, mit dem sie weggeritten ist, vielleicht derselbe ist, der bei ihr im Frauenhaus war. Und falls Ihr ihn doch erkennt, dann hätten wir ihn auch schon so gut wie überführt.«
»Hoffentlich ist es nicht schon zu spät«, murmelte die Zimmerin mit düsteren Vorahnungen. In der Schankstube des Frauenhauses breitete sich beklommenes Schweigen aus.
Oberförster Staudinger, ein breitschädeliger Mann mit rötlichen Haaren und einem struppigen Bart, verkehrte mit den Polizeibütteln in der Wachstube des Leinwandhauses auf Augenhöhe und gab sich leutselig, während sie auf die Hurenkönigin warteten. Es hatte sich zwar rasch als überflüssig erwiesen, der Zeugin gegenüberzutreten, denn Staudinger hatte sich dafür verbürgt, dass alle seine Holzleute an besagtem Donnerstagmorgen unter seiner Aufsicht mit Holzmachen beschäftigt waren, aber um seine Redlichkeit zu bekunden, hatte er einer Gegenüberstellung zugestimmt.
Zum Zeitvertreib ergötzten die Polizeibüttel und die acht Holzleute einander mit derben Geschichten. Die Stimmung war bereits entsprechend fröhlich, als es an der Tür der Wachstube klopfte und die Hurenkönigin eintrat. Beim Anblick von Ursel stießen die Männer anerkennende Pfiffe aus.
Die Hurenkönigin ignorierte die Anzüglichkeiten und wandte sich an den Untersuchungsrichter. »Was habt Ihr herausgefunden?«, erkundigte sie sich knapp.
»Von denen war’s keiner«, entgegnete Lederer. »Die waren an besagtem Donnerstagmorgen alle im Sachsenhäuser Forst beim Holzmachen. Dafür hat sich der Herr Oberförster verbürgt.«
»Na dann …«, meinte die Hurenkönigin in spöttischem Tonfall und nahm die verwegenen Gesellen ungerührt in Augenschein. Mit ihren wettergegerbten Gesichtern und den zotteligen Bärten glichen die Männer einander wie ein Ei dem anderen, was durch die einheitliche grüne Lodenkleidung noch verstärkt wurde. Ursel hätte beim besten Willen nicht zu sagen vermocht, ob sich Isoldes Freier unter ihnen befand. So zog sie nur ein mürrisches Gesicht und erkundigte sich bei Lederer: »Und was gedenkt Ihr jetzt zu unternehmen?«
»Was soll ich da noch groß machen?«, schnappte dieser mit säuerlicher Miene. »Ich kann doch jetzt nicht die ganze Stadt nach einem Kerl mit grünem Filzhut und Jagdumhang absuchen lassen! Vielleicht war es ja ein Auswärtiger. Denn von unseren Forstleuten war das keiner.«
»Ihr dürft natürlich eines nicht außer Acht lassen …«, warf plötzlich der Oberförster ein und grinste vielsagend. Der Blick der Hurenkönigin richtete sich sofort auf ihn. »Mehr als die Hälfte des Sachsenhäuser Waldareals gehört dem ortsansässigen Adel. Und die haben ihre eigenen Jagdaufseher und Holzleute. Mit denen sind wir auch schon ein paarmal aneinandergeraten … Die bilden sich nämlich ein, sie wären was Besseres, nur weil sie die Handlanger von so einem Landjunker sind.«
Ein Adelsmann? Ursel war hellhörig geworden. Hatte Isolde nicht von einem jungen Adligen gesprochen, einem Dulder und Marienverehrer, der gelegentlich ihre Dienste in Anspruch nahm?
»Danke für diesen Hinweis!«, stieß sie hervor und schlug dem verdutzt dreinblickenden Oberförster jovial auf die Schulter. »Dann wisst Ihr ja jetzt hoffentlich, was Ihr als Nächstes zu tun habt!«, sagte sie zum Untersuchungsrichter, der eine abweisende Miene aufsetzte.
»Ich weiß nicht, was Ihr meint …«, grummelte er herablassend.
»Na, Euch auf dem schnellsten Weg nach Sachsenhausen machen und Euch die Waldaufseher von diesen Adelsknilchen vorknöpfen! Oder wollt Ihr wieder so lange warten, bis eine von uns tot ist?«
Lederer hüstelte nervös. »Da muss ich erst Rücksprache mit dem Herrn Bürgermeister halten …«
»Das kann ich Euch abnehmen«, erklärte Ursel entschlossen. »Ich gehe gleich rüber ins Rathaus und mache denen Dampf, damit endlich was geschieht!« Zielstrebig eilte die Hurenkönigin aus der Tür.
Der Oberförster verzog staunend die Mundwinkel. »Die hat vielleicht ein Temperament! Ich fürchte, da müssen sich jetzt einige in
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