Die Hurenkönigin (German Edition)
Sachsenhausen warm anziehen.« Er rieb sich mit einem schadenfrohen Grinsen die Hände.
Die Zimmerin bemühte sich um einen ruhigen, höflichen Tonfall, als Bürgermeister Reichmann ihr das Wort erteilte. Leicht fiel ihr das indessen nicht, denn die Dringlichkeit der Lage war ihr nur allzu bewusst.
»Die Spur führt eindeutig nach Sachsenhausen, Herr Bürgermeister. Das hat sich eben im Leinwandhaus erwiesen …«
Reichmann hob erstaunt die Brauen und blickte sie fragend an. In knappen Worten setzte Ursel ihm auseinander, was sich bei der Gegenüberstellung mit dem Oberförster und den Holzleuten ergeben hatte. Als sie von den Sachsenhäuser Adelsgeschlechtern sprach und ihm dringend ans Herz legte, die Jagdaufseher dieser Herrschaften ausfindig zu machen, zuckte der Bürgermeister unmerklich zusammen. Nachdem sie geendet hatte, schwieg Reichmann zu ihrer Verärgerung nur und lächelte blasiert.
Ursel bezwang ihren Unmut und setzte zu einem weiteren Vorstoß an: »Unlängst hat Isolde von einem Adelsmann gesprochen, der sie zu sich bestellt hat. Sie hat auch erwähnt, dass er ein Marienverehrer sei, was sich mit den Aussagen des Hausierers deckt. Ich bitte Euch darum in aller Eindringlichkeit, die Stadtpolizei zu beauftragen, dieser neuen Spur nachzugehen. Isoldes Leben ist in Gefahr! Oder habt Ihr schon vergessen, was Rosi zugefügt wurde?« Die Hurenkönigin bebte vor Erregung.
»Beruhigt Euch, Zimmerin. Wir tun ja, was wir können«, suchte der Bürgermeister sie zu beschwichtigen und läutete nach dem Amtsdiener, der gleich darauf erschien.
»Bringt der Dame ein stärkendes Getränk! Wie wäre es mit einem heißen Gewürzwein, liebe Zimmerin?«, fragte er galant.
Ursel zuckte nur die Achseln und grummelte: »Von mir aus …«
Unversehens erkundigte sie sich: »Was wird jetzt eigentlich aus dem Hausierer? Für das Verschwinden von Isolde kann er ja wohl kaum verantwortlich gemacht werden, wo er doch zu diesem Zeitpunkt im Kerker saß.«
Der Bürgermeister warf ihr einen missmutigen Blick zu. »Da mag er auch noch ein Weilchen bleiben. Schließlich ist der Fall noch lange nicht abgeschlossen«, erklärte er ihr kühl und erteilte dem immer noch wartenden Dienstmann die Anweisung, zwei Becher Gewürzwein herbeizubringen.
Während der Bürgermeister das Getränk genüsslich schlürfte, versicherte er der Hurenkönigin mit salbungsvollen Worten, er werde sich noch heute mit den Ratsherren und dem Untersuchungsrichter dahingehend beraten, wie in der Angelegenheit weiter vorzugehen sei. »Seid versichert, liebe Zimmerin, wir werden nichts unversucht lassen, um ein weiteres abscheuliches Verbrechen zu verhindern«, schloss der Stadtvater.
Ursel, die ihr Getränk nicht angerührt hatte, lauschte dem Bürgermeister mit unverhohlenem Argwohn. Da sie zunehmend den Eindruck gewann, er versuche sie mit faulen Versprechungen zu vertrösten, konnte sie nun ihren Unmut nicht länger zurückhalten.
»Wäre es möglich, dass es dem Herrn Bürgermeister ungelegen kommt, bei den Sachsenhäuser Adelsfamilien Staub aufzuwirbeln?«, erkundigte sie sich scharf und ließ Reichmann nicht aus den Augen.
»Wie kommt Ihr denn darauf, Gnädigste? Wenn es der gestrengen Hurenkönigin gefällt, verhaften wir sogar den Kaiser«, erwiderte er spöttisch.
Die Zimmerin sprang empört auf. »Dann muss ich das halt allein machen«, erwiderte sie trotzig. »Und vielen Dank für das köstliche Getränk! Es war mir nur etwas zu süß und zu klebrig.« Mit angewiderter Miene drehte sie sich um und strebte dem Ausgang zu.
»Zimmerin, ich warne Euch, macht bloß keinen Unfug! Besinnt Euch lieber auf Eure Pflichten und sorgt endlich dafür, dass für die ausgeschiedenen Hübscherinnen Ersatz beikommt …«, rief Reichmann ihr nach.
Anstelle einer Entgegnung knallte Ursel nur die Tür hinter sich zu.
»Es ist nicht leicht, an diese Leute ranzukommen«, erklärte Bernhard von Wanebach der enttäuschten Hurenkönigin. »Der Marienbruderschaft ist sehr an Exklusivität gelegen, und sie halten die Namen ihrer Mitglieder geheim. In Gelehrtenkreisen wird zwar gemunkelt, dass es auch in Frankfurt angeblich Mitglieder dieser illustren Vereinigung geben soll. Doch das ist nicht mehr als ein Gerücht. Tut mir leid, meine Liebe, dass ich dir dazu nicht mehr sagen kann. Was jedoch die Sachsenhäuser Adelsherren anbetrifft, dazu habe ich eine Idee …«
Bernhard erhob sich und eilte zu seinem Bücherschrank. Gleich darauf kehrte er mit einem
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