Die Hurenkönigin (German Edition)
eindringlich an. »Kannst du nicht vielleicht diesen Sachsenhäuser Herrschaften deine Aufwartung machen? Eine wie mich würden die ja gleich vom Hof jagen!«
Bernhard schüttelte fassungslos den Kopf. »Du bist doch nicht mehr ganz gescheit!«, stieß er hervor.
»Wieso denn?«, hielt Ursel dagegen. »Einem vornehmen Herrn wie dir würden sie doch nicht die Tür weisen.«
»Sei dir da mal nicht so sicher, meine Liebe!«, erwiderte Bernhard konsterniert. »Du machst dir ja überhaupt keine Vorstellung, was für einen Standesdünkel diese Leute haben. Bei so mächtigen wie hochmütigen Herrschaften vorstellig zu werden und sich ganz beiläufig nach einem Mann, der einen Ring mit dem Symbol der Schmerzensmutter trägt, zu erkundigen ist selbst für einen Patrizier ein schwieriges Unterfangen.«
»Ein schwieriges vielleicht schon, aber kein unmögliches.« Die Hurenkönigin ging zu Bernhard und schmiegte sich an ihn. »Bitte, mach das doch für mich …«
»Du weißt genau, dass ich dir kaum etwas abschlagen kann«, murmelte Bernhard wohlwollend. »Aber einfach so mit der Tür ins Haus zu fallen, halte ich für unklug. Wenn wirklich einer von diesen Aristokraten dahintersteckt, dann würde er doch merken, dass man ihn verdächtigt, und wäre gewarnt. Nein, wir müssen behutsamer vorgehen. Ich hab da auch schon eine Idee.«
»Was denn für eine, du Drückeberger?« Ursel musterte den Geliebten mit gutwilligem Spott.
»Der Pfarrer der Sachsenhäuser Dreikönigskirche, Gerold Schildknecht, ist ein alter Studienfreund von mir. Wir sind in jungen Jahren, noch bevor er sich für eine geistliche Laufbahn entschieden hatte, gemeinsam nach Bologna gereist und haben an der dortigen Universität die schönen Künste studiert. Ihn könnte ich in den nächsten Tagen einmal aufsuchen, um mich mit ihm in der Angelegenheit zu beraten. Als Seelsorger kennt er doch in Sachsenhausen alles, was Rang und Namen hat, und kann mir bestimmt nützliche Hinweise zu den ortsansässigen Adelsgeschlechtern geben.«
»Dann geh doch gleich mal zu ihm hin«, sagte die Hurenkönigin nüchtern.
Als Bernhard von Wanebach am Freitagabend um die sechste Stunde über die Mainbrücke nach Sachsenhausen ritt, vernahm er fernes Donnergrollen und blickte unwillkürlich zum Himmel, der von einer dunklen Wolkendecke überzogen war. Es war drückend und schwül, eine Abkühlung wäre ihm durchaus gelegen gekommen. Am Ende der Brücke angelangt, wischte er sich den Schweiß von der Stirn und gab seinem Pferd die Sporen. Im Nu erreichte er die Dreikönigsgasse mit der Kirche und dem angrenzenden Pfarrhaus. Er band sein Pferd an einen Holzpfosten und klopfte an die Pforte.
Wenig später öffnete ihm die Hauswirtschafterin des Pfarrers die Tür. Beim Anblick des Mannes im schwarzen Gelehrtenhabit lächelte die grauhaarige Frau erfreut.
»Ach, Herr von Wanebach, das ist ja schön, dass Ihr wieder mal den Weg zu uns findet. Aber zu meinem Bedauern ist Pfarrer Schildknecht nicht da. Er hält im Schloss eine Trauerfeier ab. Der junge Freiherr ist doch so plötzlich aus dem Leben geschieden, und die arme Freifrau steht jetzt mit ihrem kleinen Töchterlein ganz allein auf der Welt. Der Herr Pfarrer muss ihnen Trost spenden. Von daher kann es heute später werden, bis er heimkommt. Aber Ihr könnt ja trotzdem reinkommen und Euch ein wenig ausruhen. Ihr seht so erschöpft aus. Das ist ja auch wieder eine Hitze heute. Kommt nur und setzt Euch, ich bringe Euch ein kühles Bier.«
Nach kurzem Zögern willigte Bernhard ein, und die Haushälterin trat höflich zur Seite, um den Besucher ins Haus zu lassen. Zu diesem Entschluss bewogen hatte Bernhard weniger das in Aussicht gestellte Bier, sondern vor allem die Redseligkeit der Haushälterin, über die er sich gemeinsam mit seinem Freund Gerold schon manches Mal mokiert hatte. Zudem hatte ihn die Erwähnung des Todesfalles neugierig gemacht, und er erhoffte sich von der Plaudertasche interessante Aufschlüsse darüber und über den Sachsenhäuser Adel im Allgemeinen.
Kaum hatte er das Stichwort »Beerdigung« ausgesprochen, da legte die alte Dame auch schon los: »Ganz Sachsenhausen trauert um den jungen Freiherrn von Urberg. Er war erst achtundzwanzig Jahre alt und hinterlässt eine junge Frau und ein zehnjähriges Töchterchen …« Die Haushälterin wischte sich mit ihrem Schürzenzipfel über die Augenwinkel.
»Woran ist er denn gestorben?«, fragte Bernhard und nahm einen Schluck Bier.
»Ihn hat ein
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