Die Hurenkönigin (German Edition)
Bademägde aus der inzwischen geschlossenen Badestube am Knäbleinsborn waren. Zu ihrem Verdruss war es ihr bislang jedoch noch nicht gelungen, mit den Frauen ungestört ein paar Worte zu wechseln. Zum einen, weil die Laienschwestern eng in das klösterliche Leben einbezogen waren und allen Gottesdiensten, die von früh bis spät in der Klosterkapelle abgehalten wurden, beizuwohnen hatten, zum anderen, weil Schwester Theodora es sich nicht nehmen ließ, sie in den Zeiten, die dazwischenlagen, in fromme Gespräche zu verstricken.
Als die schlaue Grid an diesem Abend um die zehnte Stunde in ihre Kammer kam, beschloss sie kurzerhand, einen Vorstoß zu wagen. Sie schlich hinaus auf den Flur, um sachte an die Tür ihrer Zimmernachbarin zu klopfen.
»Wer ist denn da?«, ertönte eine gedämpfte Stimme von drinnen.
Ingrid öffnete die Tür einen Spaltbreit und steckte ihren Kopf hinein. »Ich bin’s, die Grid aus dem Frauenhaus«, wisperte sie. »Darf ich kurz reinkommen?«
»Kommt rein und macht die Tür zu«, raunte die junge Frau und erhob sich von ihrer Holzpritsche. Sie hatte kastanienbraunes Haar und ein hübsches Gesicht. »Es hat Euch doch hoffentlich niemand gesehen? Es ist uns nämlich verboten, einander in den Zimmern zu besuchen, das hat man Euch doch sicher gesagt …«
»Ja«, erwiderte Grid trotzig, »aber ich halte mich nicht daran.«
»Wenn das rauskommt, werden sie uns bestrafen. Ihr seid erst ein paar Tage da und wisst noch nicht, wie streng es hier zugeht«, murmelte die Frau gepresst. »Außerdem bin ich müde«, fügte sie hinzu und gähnte. »Wie ihr ja schon mitbekommen habt, sind die Nächte im Kloster kurz.«
»Wem sagt Ihr das«, seufzte Grid gequält. »Eine Stunde nach Mitternacht beginnt schon wieder der Nachtgottesdienst. Ich glaube, ich halte das hier nicht lange aus …«
»Das habe ich am Anfang auch gesagt, und jetzt bin ich schon zwei Wochen hier … Was wollt Ihr eigentlich?«
»Ein bisschen reden, mehr nicht. Darf ich mich zu Euch setzen?«
»Von mir aus«, erwiderte die ehemalige Bademagd und rückte ein Stück zur Seite. Grid ließ sich neben ihr auf der harten Holzpritsche nieder. Im diffusen Mondlicht, das durch die Dachluke fiel, sah sie das Gesicht der jungen Frau mit den großen dunklen Augen nur schemenhaft.
Täuschte sie sich, oder lag in ihrem Blick etwas Verzweifeltes?
»Es scheint Euch hier ja gut zu gefallen, wenn Ihr schon zwei Wochen da seid …«
»Es geht so«, grummelte die Frau ausweichend. »Wo sollte ich denn auch sonst hin?«
»Habt Ihr denn niemanden in Frankfurt, der Euch aufnehmen kann?«, fragte Grid.
»Nein«, erwiderte die Angesprochene betrübt. »Mein Bursche, ein Müllersknecht aus Sachsenhausen, hat mich sitzenlassen, als er erfahren hat, dass ich guter Hoffnung bin. Und in der Badestube konnte ich ja nicht mehr bleiben. Meine Leute wohnen weit weg von hier im Schwäbischen. Aber da brauche ich mich nicht mehr blicken zu lassen, jetzt, wo ich in anderen Umständen bin und keinen Mann habe …« Sie wischte sich verstohlen über die Augenwinkel.
Ingrid tat die junge Frau leid. Sie tätschelte ihr mitfühlend den Unterarm. »Glaubt Ihr denn, dass Ihr hier gut aufgehoben seid?«, fragte sie ernst. »Ich meine, als ehemalige Reiberin aus der Badestube und dann auch noch als angehende ledige Mutter – da ist das doch hier bei diesen Nonnen bestimmt kein Zuckerschlecken für Euch.«
Die Frau schniefte. »Ich habe ein Dach überm Kopf und muss keinen Hunger leiden – und für mein Kind wird auch gesorgt«, stieß sie hervor und brach unversehens in Tränen aus.
Die schlaue Grid rückte an sie heran und legte den Arm um sie.
»Wenn ich doch nur zu meiner Mutter könnte …«, murmelte die ehemalige Bademagd.
»Warum solltet Ihr das nicht können, meine Liebe?«, suchte Grid sie zu trösten. »Sicher, Ihr seid schwanger und habt keinen Mann, aber wenn Euch Eure Mutter liebt, wird sie Euch trotzdem aufnehmen. – Ich würde es jedenfalls machen, wenn ich eine Tochter hätte wie Euch …«
»Ihr seid aber auch eine Hure, und meine Mutter ist eine fromme Bäuerin von der Schwäbischen Alb. Da ist es eine Schande, wenn man so eine Tochter hat wie mich«, presste sie hervor. »Außerdem wird da eh nix draus.«
Ingrid strich ihr tröstend über den Kopf. »Wenn ich Euch irgendwie helfen kann, Kind, dann sagt es. Ich kann Euch auch ein bisschen Geld geben für die Reise …«
Die junge Frau ergriff Ingrids Hand und drückte sie. »Danke
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