Die Hurenkönigin (German Edition)
vereidigter Weinhändler ist und den Römerkeller immer beliefert hat. Dem wollten sie nämlich schon an den Karren fahren, weil sich immer mehr Gäste darüber beschwert haben, dass der Wein so wässrig war. Und dann hat sich der Weinhändler auf die Lauer gelegt und dem Kerl ein bisschen auf die Finger geguckt. Da hat er gesehen, wie sich dieser Kerl von den Flaschen etwas abgefüllt und den restlichen Wein mit Wasser gestreckt hat. Den gestohlenen Wein hat er unter der Hand an diverse Schankwirte weiterverkauft. Daraufhin hat der Rat dem Burschen den Prozess gemacht und ihn in den Kerker gesteckt. Mehr weiß ich nicht … Und jetzt steht dieser Kerl hier und verkündet frech, dass er unser neuer Frauenhausknecht ist.« Die Jennischen Marie warf Stückrath einen entrüsteten Blick zu.
Auch die Zimmerin war empört. »Stimmt das?«, wandte sie sich an den Mann.
Dieser verschränkte die Arme vor der Brust und grinste unverschämt. »Kann schon sein«, erwiderte er. »Aber dann bin ich ja hier im Hurenhaus in bester Gesellschaft.«
»Was unterstehst du dich, du Halunke!«, fuhr ihn die Hurenkönigin an. »Du kannst gleich wieder gehen. Einen wie dich wollen wir hier nicht haben. Es ist eine Unverschämtheit vom Magistrat, dass man dich überhaupt zu uns geschickt hat! Ich werde mich noch heute beim Bürgermeister darüber beschweren.«
Stückraths Augen blitzten hämisch. »Der wird Euch schön was husten. Die hohen Herren haben mich nämlich dazu verdonnert, dass ich bei Euch Dienst schieben muss. Nicht dass ich mich darum gerissen hätte, kapiert? Aber das war verdammt noch mal mein Strafurteil. Ich könnte mir auch was Besseres vorstellen, als für Euch den Hanswurst zu machen. Aber so, wie’s aussieht, werden wir uns wohl zusammenraufen müssen.«
Bürgermeister Reichmann, der schon damit gerechnet hatte, dass ihn eine wütende Hurenkönigin aufsuchen und wegen des neuen Frauenhausknechts zur Rede stellen würde, hatte entsprechende Vorsorge getroffen und war an diesem Montagnachmittag »in Amtsgeschäften unterwegs«. Seinen Stellvertreter Fichard hatte er entsprechend instruiert, und als die Zimmerin in seine Amtsstube trat, lächelte sie der gewiefte Jurist an, als könnte er kein Wässerchen trüben, und erkundigte sich zuvorkommend, was sie auf dem Herzen habe.
»Es ist eine bodenlose Frechheit, uns diesen Schelm vor die Nase zu setzen!«, begann Ursel übergangslos. »Dass man so einen zu uns abkommandiert, zeigt deutlich, welche Wertschätzung uns der Senat entgegenbringt.«
»Ich verstehe ja Euren Unmut, werte Zimmerin. Aber seid versichert, es handelt sich hierbei lediglich um eine Notlösung. Wir mussten halt schnell einen Ersatz finden, und so kurzfristig gab es niemand anders. Ich soll Euch aber vom Herrn Bürgermeister bestellen, dass er sich bemüht, so rasch wie möglich Abhilfe zu schaffen und einen geeigneten, vertrauenswürdigen Hausknecht für das Frauenhaus zu rekrutieren. So lange muss ich Euch noch um ein wenig Geduld bitten. Ihr müsst Euch halt, so gut es geht, mit dem Stückrath arrangieren …«
»Was für eine Zumutung!«, stieß Ursel hervor und zog verärgert die Stirn in Falten. »Noch eine Zumutung mehr«, murmelte sie erbittert.
»Von welcher Zumutung sprecht Ihr, werte Zimmerin?«, erkundigte sich Fichard ölig.
»Na, von dieser Siechenmagd, die uns neuerdings zweimal in der Woche im Frauenhaus heimsucht«, entgegnete Ursel mit hochgezogenen Brauen.
Der Ratsherr, der auf diese neuerliche Beschwerde nicht eingestellt war, verzog ärgerlich den Mund und verkündete mit sonorer Stimme: »Schwester Theodora ist eine sehr erfahrene und verdienstvolle Siechenmagd, die, ebenso wie ihre frommen Mitschwestern, seit vielen Jahren die Stadt Frankfurt in der mildtätigen Krankenpflege unterstützt.«
»Vor allem ›mildtätig‹«, bemerkte die Hurenkönigin sarkastisch.
Fichard blickte sie verständnislos an.
»Bei Schwester Theodora von ›mildtätig‹ zu sprechen ist ungefähr so, als würde man einen Metzgerhund als Lämmchen bezeichnen …« Die Zimmerin erhob sich. »Vielen Dank, dass Ihr mir Eure wertvolle Zeit geopfert habt«, verabschiedete sie sich kühl und verließ die Amtsstube.
Bereits am Tag ihrer Ankunft hatte Ingrid bemerkt, dass sie im Besuchertrakt des Sankt-Spiritus-Ordens nicht die einzige Laienschwester war. Direkt neben ihrer eigenen Dachkammer logierten noch zwei junge Frauen, über die sie lediglich in Erfahrung gebracht hatte, dass es ehemalige
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