Die Hurenkönigin (German Edition)
ist. Er soll grüne Jagdkleidung getragen haben. Und der Hausierer hat ja auch von einem Mann gesprochen …«
Der Untersuchungsrichter nickte. »Ich werde sie nachher im Verhör darauf festnageln.«
»Sollten wir dazu nicht auch die Oberin befragen?«, fragte der Bürgermeister und runzelte die Stirn. »Mich ärgert es sowieso, dass sie so viel Schonung erfährt. Steckt ihren Kopf in den Sand und will dann von allem nichts gewusst haben! Wenn die Dietrich wirklich einen Helfer hatte, muss das doch auch der Oberin aufgefallen sein. Ein Mann unter all diesen Betschwestern, der sticht doch förmlich ins Auge!«
»Dann zitieren wir sie her«, schlug Lederer vor. »Das Kloster ist ja ganz in der Nähe. Ich schicke einen von den Gefängnisbütteln hinüber und lass sie holen.«
Als sie unten angekommen waren, wo sich auch die Wachstube der Gewaltaufseher befand, beorderte der Untersuchungsrichter einen der Büttel zum Sankt-Spiritus-Kloster. Anschließend besprachen sich die Herren des Straftribunals noch einmal und warteten auf das Eintreffen der Oberin.
Eine halbe Stunde später führte der Gefängnisbüttel Schwester Adalbertis in die Wachstube des Brückenturms. Die alte Nonne keuchte vernehmlich und erbat sich von den Aufsehern einen Becher Wasser. Nachdem ihr der Bürgermeister einen Sitzplatz angeboten und sie ihren Durst gestillt hatte, bekundete sie den hohen Herren gegenüber mit Leidensmiene, wie sehr ihr die Angelegenheit zusetze.
Doch der Untersuchungsrichter schnitt ihr das Wort ab, indem er ihr übergangslos eine Frage stellte: »Gibt es vielleicht einen Mann, der der Mörderin bei ihren Gräueltaten geholfen hat?«
Schwester Adalbertis schüttelte irritiert den Kopf. »Theodora und ein Mann? Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Außerdem sind wir ein reines Nonnenkloster, und Männer haben bei uns keinen Zutritt«, murmelte sie und sah beistandheischend zu den geistlichen Herren hinüber, die allesamt reserviert die Blicke senkten.
»Das versteht sich von selbst«, bemerkte Pfarrer Roddach kühl. »Doch ebenso, wie es in einem Mönchskloster eine Küchenmagd geben kann und ein Priester eine Hauswirtschafterin beschäftigt, so wäre es denkbar, dass selbst Euer vorbildliches Kloster eine Art Hausknecht unterhält, einen Mann fürs Grobe, der das Vieh schlachtet und mal einen Zaun repariert.« Der Pfarrer bedachte die Oberin mit einem despektierlichen Blick. In Frankfurter Klerikerkreisen begann man bereits, sich vom Sankt-Spiritus-Orden abzuwenden, und es wurde sogar in Erwägung gezogen, das Kloster aufzulösen.
Schwester Adalbertis bemühte sich um Haltung. »Nun«, bemerkte sie vorsichtig, »es gibt da einen Jäger mit Namen Engelbert, der uns ab und zu behilflich ist. Er steht in Diensten der Ritter von Praunheim, die unsere Nachbarn und dem Sankt-Spiritus-Orden sehr gewogen sind.« Mit triumphierender Miene erläuterte sie: »Der Großherzigkeit von Ritter Sigismund von Praunheim und seiner werten Gemahlin Karolina verdankt unser Kloster sehr viel. Sie überschütten uns mit Gaben und Geschenken aus ihren Wäldern und Ländereien. Immer wieder bringt uns der Jäger im Auftrag seiner Herrschaften Feldfrüchte, Forellen oder edles Wildbret. Wir sind der Adelsfamilie zu großem Dank verpflichtet und schließen sie in unsere Gebete ein. Ich vermag mir wirklich kaum vorzustellen, dass besagter Engelbert – ein frommer und fleißiger Gesell – Theodora bei ihren Freveltaten geholfen haben soll«, schloss die Mutter Oberin und streifte den Bürgermeister mit einem vielsagenden Blick.
Reichmann, der bei ihren Ausführungen immer angespannter geworden war, erwiderte gepresst: »Ich eigentlich auch nicht …«
Auch die anderen Herren schwiegen betroffen. Ihnen war hinlänglich bekannt, dass die von Praunheims zu den mächtigsten und einflussreichsten Frankfurter Adelsgeschlechtern zählten. Lediglich der Untersuchungsrichter schien dies in seinem Übereifer nicht recht zu bedenken, denn er wandte sich an den Stadtschultheiß und fragte unterwürfig: »Soll ich diesen Jäger vorladen lassen?«
Sein Dienstherr musterte ihn unwirsch. »Das wird nicht nötig sein, Lederer«, beschied er ihn abweisend. »Ich treffe Ritter Sigismund am Wochenende auf einem Turnier. Wenn es sich ergibt, werde ich ihn bei dieser Gelegenheit einmal auf seinen Jäger ansprechen.«
Damit schien der Sache fürs Erste Genüge getan. Der Bürgermeister entließ die Oberin mit einem knappen Abschiedsgruß und
Weitere Kostenlose Bücher