Die Hurenkönigin (German Edition)
Untersuchungsrichter dem Henker Einhalt. Der Züchtiger lockerte die Schrauben.
Theodora war am Ende ihrer Kräfte, sie hätte alles getan, damit die grausame Marter endlich ein Ende hatte. Selbst die Furcht vor dem Tode verblasste vor den Schrecken der Folter – und mit einem Mal sehnte sie ihn sogar herbei.
»Ich gestehe alles, was Ihr hören wollt … Nur verschont mich mit der Pein und tötet mich recht bald, damit mein Elend vorüber ist!«, flehte sie.
Der Untersuchungsrichter blickte zufrieden. »Gut, dass Sie endlich einsichtig wird«, bemerkte er. »Wir werden Ihrem Wunsche auch nachkommen und das Todesurteil so schnell wie möglich an Ihr vollstrecken.« Er sah den Bürgermeister fragend an.
Reichmann nickte und erklärte: »Das sollte schon zu machen sein.«
»Ehe wir ein angemessenes Urteil über Sie fällen werden, muss Sie uns aber noch ein vollständiges Geständnis abliefern«, wandte sich Lederer wieder an die Angeklagte, die völlig entkräftet auf der Folterbank lag und augenscheinlich zu schwach war zum Sprechen. Dies war ein Zustand, den der erfahrene Amtmann im Laufe vieler Dienstjahre häufiger kennengelernt hatte, und so war der Untersuchungsrichter der Delinquentin behilflich und legte ihr die Vergehen sozusagen in den Mund, so dass die Beklagte nur noch ihre Zustimmung bekunden musste – was sie auch tat.
Am späten Nachmittag fällten die Herren das Urteil und verurteilten Walburga Dietrich für die grausamen Foltermorde an den drei Huren Roswitha, Ingrid und Isolde zum Tode durch Ertränken, was schon am Folgetag, am Donnerstag, dem 4. August 1511, um 12 Uhr mittags an ihr vollstreckt werden sollte.
Es war finstere Nacht, als Ursel über den Steg hastete. Er war unendlich lang und erstreckte sich bis ans andere Ufer des Flusses. Der dahinfließende Strom war so tiefschwarz wie der sternenlose Nachthimmel. Kein Laut war zu vernehmen, und sie spürte nicht den leisesten Windhauch auf ihren Wangen. Eine Totenstille! Mit schwankenden Schritten ging sie voran. Das morsche Holz ächzte unter ihren Füßen, und sie hatte auf einmal panische Angst, einzubrechen. Dann wäre sie rettungslos verloren. Sie würde in den schwarzen Fluten untergehen.
Am Ende des Stegs gewahrte sie plötzlich eine Gestalt. Ursel hatte sie erst nicht bemerkt, weil sie ein langes schwarzes Gewand trug. Sie war noch weit von ihr entfernt und kehrte ihr den Rücken zu. Das Holz unter Ursels Füßen wurde immer schadhafter und löchriger, es fehlten ganze Stücke. Fast wäre sie ins Leere getreten. Sie bewegte sich wie eine Traumtänzerin, die nicht wusste, ob nicht schon der nächste Schritt in den gähnenden Abgrund führte. Doch sie musste weiter, die Gestalt am Ende des Stegs zog sie magisch an. Der Abstand zwischen ihnen wurde immer geringer. Längst achtete Ursel nicht mehr auf ihre Schritte, und mit einem Mal hatte sie das Gefühl zu schweben. Was von der Gestalt ausging, war wie ein Sog, und Ursel strebte unaufhaltsam auf sie zu. Sah schon die schwarzen Falten ihres Gewandes. Ein Nonnengewand! Schwester Theodora, hallte es in ihrem Inneren, und sie fühlte einen unbändigen Hass in sich. Grob packte Ursel die Nonne am Arm und drehte sie zu sich um. – Doch es war gar nicht Theodora! Sie blickte in ein feenhaft schönes Gesicht mit kalten Augen. Das ist keine gute Fee!, durchfuhr es sie, und sie hatte plötzlich das beklemmende Gefühl, ihr bliebe das Herz stehen …
»Hilfe!«, schrie Ursel mit sich überschlagender Stimme. Schweißgebadet lag sie auf der Rosshaarmatratze. Eine panische Angst hatte von ihr Besitz ergriffen. In ihrer Verzweiflung fing sie unversehens an zu beten.
»Heilige Maria Magdalena, steh mir bei und halte schützend deine Hand über mich!«, flehte sie die Schutzpatronin an, und es schien tatsächlich ein wenig zu helfen. Sie atmete tief durch, und ganz langsam verflüchtigte sich die Panik.
Noch ganz benommen, richtete sie sich auf und tastete im Halbdunkel nach der Theriakflasche, die neben dem Bett auf dem Boden stand. Als sie sie mit bebenden Fingern entkorkt hatte, stellte sie fest, dass sie leer war. Ursel öffnete sie dennoch und hielt sie sich über den offenen Mund, ehe sie das Gefäß fluchend von sich schleuderte. Klirrend zerbarst es auf dem Dielenboden.
Ächzend schwang die Hurenkönigin die Beine aus dem Bett. Sie würde sich Nachschub holen müssen. Wie spät es wohl sein mochte? Ihr war jegliches Zeitgefühl abhandengekommen. Sie blinzelte mit
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