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Die Hurenkönigin (German Edition)

Die Hurenkönigin (German Edition)

Titel: Die Hurenkönigin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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mich anzuschauen, ich habe dir nämlich etwas zu sagen«, sagte Bernhard aufgebracht und zog Ursel die Decke vom Gesicht.
    »Lass mich, ich will schlafen«, murmelte sie und blinzelte Bernhard müde an.
    »Du hörst mir jetzt gefälligst zu, Hurenkönigin!«, herrschte Bernhard sie an. Er setzte sich auf den Bettrand und packte sie an den Schultern, während er sie zornig und unsagbar verletzt anblickte. »Ich weiß, dass es dir schlechtgeht, aber damit bist du weiß Gott nicht alleine!«, brach es aus ihm heraus. »Du hast mir versprochen, dieses Teufelszeug nicht mehr anzurühren, aber daran hast du dich nicht gehalten.« Bernhard schluchzte auf. »Ich liebe dich …«, sagte er leise. »Aber mit einer Frau, die sich so aufgibt, will ich nichts mehr zu schaffen haben. Du hast mich unsagbar enttäuscht.« Bernhard erhob sich und ging zur Tür, wo er sich noch einmal zu Ursel umwandte. »Ich wäre mit dir bis ans Ende der Welt gegangen«, stieß er hervor und drückte die Türklinke.
    »Bleib bei mir!«, krächzte Ursel, doch Bernhard ließ sich nicht zurückhalten. Einen flüchtigen Moment lang wollte sie aufstehen und ihm nacheilen, doch sie hatte nicht die Kraft, gegen das Opiat anzukämpfen, das sie nach unten zog.

    Um die Mittagszeit wurde der Henker im Frauenhaus vorstellig. Er teilte den Huren mit ernster Miene mit, der Bürgermeister erachte es in Anbetracht der Umstände für angemessen, das Frauenhaus für eine gewisse Zeit zu schließen. Vergeblich blickte er sich im Schankraum nach der Hurenkönigin um und erkundigte sich nach ihrem Verbleib.
    »Sie ist auf ihrem Zimmer. Ihr geht es nicht gut«, erwiderte die Jennischen Marie.
    »Ich habe nämlich noch eine traurige Nachricht für euch«, erklärte der Scharfrichter mit belegter Stimme. »Die Leiche von Isolde wurde heute Morgen gefunden. Man hatte sie im Sachsenhäuser Forst an einen Baum gefesselt. Sie … sie war übel zugerichtet …« Der Henker senkte betreten den Blick. »Man hat sie zum Peterskirchhof gebracht. Um drei Uhr nachmittags soll die Leichenschau stattfinden.«
    Mehrere Huren schrien entsetzt auf.
    Der Henker begab sich zur Tür. »Ich muss es der Zimmerin selbst sagen«, bemerkte er finster und stieg die Treppe hoch.
    Als es an der Tür klopfte und Ursel erneut aus dem Schlaf gerissen wurde, hoffte sie, dass es Bernhard war, und ihr Herz schlug höher. Sie bedauerte zutiefst, dass sie den Geliebten so verletzt hatte, und hatte es seit seinem Weggang strikt vermieden, nach dem Theriak zu greifen.
    »Herein«, rief sie mit schwacher Stimme, richtete sich mühsam auf der Rosshaarmatratze auf und strich sich durch die ungekämmten Haare. Als sie jedoch anstelle von Bernhard den Henker gewahrte, überwältigte sie wieder die bleierne Niedergeschlagenheit, die selbst die Himmelsarznei nicht gänzlich vertreiben konnte. Der Gesichtsausdruck von Meister Jerg verhieß nichts Gutes, und Ursels gepeinigte Seele flehte darum, von weiteren Schicksalsschlägen verschont zu bleiben.
    »Darf … darf ich mich vielleicht setzen?«, erkundigte sich der Henker scheu. Die Hurenkönigin bot ihm an, sich einen Schemel ans Bett zu rücken, während sie ihn mit dunkel umflorten Augen anblickte, aus denen eine abgrundtiefe Traurigkeit sprach.
    Selbst der abgestumpfte Scharfrichter empfand Mitleid mit der sonst so kämpferischen Gildemeisterin, die in ihrem Unglück kaum mehr wiederzuerkennen war.
    »Ich habe eine schlimme Nachricht für Euch, Zimmerin«, setzte er mit tonloser Stimme an und musste sich zwingen, weiterzusprechen. »Heute Morgen wurde Isoldes Leiche im Sachsenhäuser Forst entdeckt. Wie’s der Zufall wollte, hat Euer früherer Frauenhausknecht Josef sie gefunden und wohl gleich erkannt. Ich musste sie mir eben auch angucken, um zu bestätigen, dass es wirklich eine unserer Hübscherinnen ist – der Bürgermeister wollte Euch nicht damit behelligen, wo ihr doch sowieso schon genug gebeutelt seid. Und so leid es mir tut, sie ist es …«
    Die Zimmerin war auf ihr Lager zurückgesunken, vergrub ihr Gesicht im Kopfkissen und gab ein verzweifeltes Wimmern von sich.
    Obgleich der Henker an Wehklagen jeglicher Art gewöhnt war, schnitt ihm die bodenlose Verzweiflung der Hurenkönigin doch mehr ins Herz, als sein Gemüt es eigentlich zuließ, und er griff unversehens nach ihrer Hand und drückte sie.
    »Tut mir leid, Zimmerin. Momentan lädt das Unglück seinen Sack über Euch aus«, murmelte er rau. Sein Blick fiel auf die Theriakflasche.

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