Die Hurenkönigin (German Edition)
Äußerungen gehört hatte.
Nach einer kurzen Klärung des Sachverhalts, bei der unter anderem zutage trat, dass der Frauenhausknecht oben in seiner Kammer mit zwei Kumpanen beim Kartenspiel war, packte Meister Jerg Stückrath kurzerhand am Kragen und schob ihn mit dem Befehl, auf der Stelle seine Sachen zu packen und sodann mit seinen Spießgesellen das Weite zu suchen, aus dem Aufenthaltsraum hinaus.
Keine fünf Minuten später war zu hören, wie Stückrath, der aus Angst vor dem Henker keinen Muckser mehr von sich gegeben hatte, mit seinen Kameraden das Frauenhaus verließ.
Ursel blickte den Scharfrichter dankbar an und stellte einen der Bierkrüge vor ihn auf den Tisch. Meister Jerg leerte ihn in wenigen Zügen. Anschließend wischte er sich den Schaum vom Mund und sagte: »Ich habe Euch etwas mitzuteilen, Zimmerin. Und das betrifft auch die anderen Hübscherinnen …«
Die Hurenkönigin stellte ihm noch einen Bierkrug hin und ließ sich an seiner Seite nieder. »Dann legt mal los, Meister Jerg«, forderte sie ihn auf und nahm einen tiefen Schluck aus dem dritten Krug, während sich die Hübscherinnen rings um den Tisch platzierten.
»Ich soll Euch vom Bürgermeister bestellen, dass am Montagmorgen um die neunte Stunde auf dem Peterskirchhof die Beerdigung der zwei Hübscherinnen stattfinden wird. Es soll eine feierliche Beisetzung geben, bei der auch der Bürgermeister und der Senat anwesend sein werden. Und am kommenden Sonntag, dem 7. August, der ja der Gedenktag eurer Schutzpatronin Afra ist, wird in der Leonhardskirche eine Totenmesse für die drei Verstorbenen gelesen …«
Die Huren wischten sich beim Gedanken an ihre ermordeten Gildeschwestern Tränen aus den Augenwinkeln.
Meister Jerg, dem es angesichts der Gefühlsäußerungen unbehaglich zumute wurde, räusperte sich und erklärte in derbem Tonfall: »Und damit ihr untenrum nicht einrostet, ist das Frauenhaus ab Montag wieder geöffnet!«
»Das wird auch Zeit«, bemerkte die Jennischen Marie. »Denn langsam geht einem ja das Geld aus.«
»Und es gibt auch noch eine gute Nachricht«, verkündete der Henker mit triumphierendem Grinsen. »Diese Betschwester hat heute ein umfangreiches Geständnis abgelegt. Die hat nicht nur unsere Lohnsetzerin auf dem Gewissen, sondern hat auch die Rosi und die Isolde abgemurkst! Und dafür werde ich sie morgen in einen Sack stopfen, ein paar Steine drauflegen und sie ersäufen wie eine Katze. Um zwölf Uhr mittags findet am Gickelkreuz auf der Mainbrücke die Hinrichtung statt, und ihr seid alle herzlich dazu eingeladen«, erklärte Meister Jerg zynisch, während die Huren johlend applaudierten.
Die Zimmerin jedoch starrte nur mit unbewegter Miene vor sich hin, offenbar in Gedanken versunken.
»Freut Ihr Euch denn nicht, dass die Bestie überführt ist und morgen zur Hölle fährt?«, wandte sich der Scharfrichter an die Hurenkönigin.
»Schon …«, erwiderte Ursel geistesabwesend. »Aber … das hat sie alles alleine gemacht? Ich meine, da gehört doch ganz schön was dazu, jemandem eine solche Gewalt anzutun und die Leichen wegzubringen …«
»Wahnsinnige entwickeln oft unglaubliche Kräfte. Das habe ich schon mehrfach erlebt«, erläuterte der Henker fachmännisch. »Und dass die nicht ganz bei Trost ist, steht ja außer Zweifel.«
Ursel nickte zustimmend und nippte an ihrem Bierkrug.
»Auf, Meistersen, lasst uns alle darauf anstoßen, dass das Aas morgen verrecken wird!«, rief die alte Irmelin übermütig und hob ihren Trinkbecher. Von allen Seiten des Tisches kamen laute Zustimmungsrufe. Die Hurenkönigin, die plötzlich wieder eine tiefe Niedergeschlagenheit fühlte, hob mechanisch den Bierkrug und prostete den Huren zu.
Beim Anblick von Ursels bedrückter Miene bemerkte Irmelin: »Ach, Meistersen, wenn’s Euch nicht gut ist und Ihr noch Himmelsarznei braucht, kann ich Euch welche bringen. Ich habe oben in meiner Kammer noch eine angebrochene Flasche, die kann ich Euch holen …«
»Ach ja, mach das nur, das kann ich jetzt gut gebrauchen«, erwiderte Ursel.
Während Irmelin aus dem Aufenthaltsraum eilte, um den Theriak zu holen, richtete der Henker erneut das Wort an die Hurenkönigin: »Zimmerin, Ihr werdet es kaum glauben – aber wisst Ihr, was ihr letzter Wunsch ist?«
Die Hurenkönigin sah den Scharfrichter zerstreut an und murmelte: »Was denn für ein letzter Wunsch?«
»Na, die Todeskandidaten haben doch am Abend vor ihrer Hinrichtung immer einen Wunsch frei, und es ist alte
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