Die Hurenkönigin und der Venusorden
Hurenkönigin förmlich. Doch die Zimmerin ließ sich von dem jungen Richter nicht ins Bockshorn jagen. Sie kannte ihn als ehrgeizigen Sprössling einer begüterten Frankfurter Patrizierfamilie, dem aufgrund seiner glänzenden Noten eine große Karriere prophezeit wurde. Bisher hatte er aber noch nicht bewiesen, dass er auch menschlich und gerecht war. Daher bemerkte sie nur spöttisch: »Ach, daher weht der Wind« und quittierte seine Frage mit provokantem Schweigen.
Doch während die anderen Huren betreten die Blicke senkten und gleichfalls schwiegen, erhob sich Alma von ihrem Stuhl und äußerte mit fester Stimme: »Ich war das, es ist mir einfach so rausgerutscht. Was jedoch keineswegs bedeutet, dass ich so was auch tun würde. Ich war lediglich wütend auf den Herrn, weil er so grob zu meiner Tochter war. Da habe ich ihm halt etwas an den Kopf geworfen. Aber ich möchte noch einmal mit allem Nachdruck betonen, dass ich außerstande wäre, eine so grausame Tat zu begehen. Mit dem Mord habe ich nicht das Geringste zu tun.«
Der Untersuchungsrichter betrachtete sie skeptisch und knurrte: »Ihr könnt mir viel erzählen. Wie lautet Euer Name, Hübscherin?«
Alma runzelte die Stirn. »Alma Deckinger, gebürtig aus Ulm.«
»Gut, Alma Deckinger aus Ulm«, entgegnete Fauerbach mit herablassendem Lächeln. »Ihr kommt jetzt mit auf die Polizeiwache – und da könnt Ihr mir noch mehr erzählen. Von mir aus auch die ganze Nacht. Ich nehme mir viel Zeit für Euch und höre Euch genau zu. Und ich kann Euch auch gern ein bisschen auf die Sprünge helfen, wenn Euch nichts mehr einfällt. Dann werden wir ja sehen, ob Ihr wirklich so ein Unschuldslamm seid, wie Ihr uns glauben machen wollt.«
Bei seinen Worten war Alma schreckensbleich geworden. Sie wollte etwas erwidern, doch der Untersuchungsrichter herrschte sie an: »Wenn Sie jetzt auch noch renitent wird, lasse ich Sie von den Stangenknechten abführen!«
»Also, mit Verlaub, Herr Bürgermeister, so geht das nicht!« Ursel war aufgesprungen, nun stemmte sie empört die Arme in die Hüften und funkelte den Schultheiß zornig an. »So einen Unfug, wie ihn dieser Grünschnabel hier treibt, könnt Ihr doch nicht zulassen! Oder muss ich Euch erst daran erinnern, dass ich letztes Jahr wegen der Versäumnisse seines Vorgängers Kopf und Kragen riskiert habe?«
Reichmann hüstelte betreten. »Eure Verdienste in allen Ehren, Zimmerin, die will ich auch gar nicht in Abrede stellen. Wenn es um Eure Huren geht, seid Ihr die reinste Löwenmutter. Aber dieses Mal ist der Fall anders gelagert. Wir haben ein männliches Mordopfer. Und ich habe letzte Nacht mit eigenen Ohren gehört, was dieses Weibsstück unserem bedauernswerten Senatskollegen angedroht hat.« Er musterte die Hurenkönigin eindringlich und fügte mit ernster Miene hinzu: »Sie hat ihre Drohung mit so einem Hass von sich gegeben, dass ich dieser Furie eine solche Tat auch voll und ganz zutraue. Und damit, liebe Zimmerin, stehe ich nicht alleine. Auch die anderen Ratsherren haben das so empfunden.« Reichmanns Gesicht hatte sich gerötet, die Adern an den Schläfen traten deutlich hervor. Er sah die Gildemeisterin und die Huren ungnädig an. »Ich kann es nicht dulden, dass einem Besucher des Frauenhauses etwas so Schreckliches widerfährt! Nur weil er ein bisschen über die Stränge schlägt, wird er auf brutalste Weise ermordet! Das kann doch nicht angehen. In so ein Hurenhaus traut sich doch kein Mannsbild mehr … Wenn sich das herumspricht, könnt ihr hier dichtmachen!«
Dann ergänzte er mit erhobener Stimme: »Solange noch Messe ist, geht der Betrieb weiter wie bisher. In der Karwoche habt ihr ja sowieso geschlossen. Aber ich ziehe ernsthaft in Erwägung, das auch fürderhin so zu belassen!«
Von allen Seiten waren empörte Ausrufe zu vernehmen. Ursel war aschfahl geworden, sie bebte vor Zorn. »Ihr tut ja gerade so, als wäre Uffsteiner im Frauenhaus ermordet worden. Was mitnichten der Fall war!«, platzte es aus ihr heraus. »Es ist aberwitzig, ohne handfesten Beweis eine unserer Hübscherinnen des Mordes zu bezichtigen! So etwas lassen wir uns nicht gefallen!« Die Hurenkönigin trat auf den Bürgermeister zu und baute sich vor ihm auf. »Ich werde keine Minute ruhen, Euch vom Gegenteil zu überzeugen!«, zischte sie. »Und ich werde herausfinden, wer Uffsteiner tatsächlich auf dem Gewissen hat – da werden Euch noch die Augen übergehen!«
Reichmann war unwillkürlich zurückgewichen. »Was wollt Ihr
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