Die Hurenkönigin und der Venusorden
damit sagen?«, fragte er unbehaglich.
»Das werdet Ihr dann schon sehen!«, entgegnete die Hurenkönigin finster. »Nach allem, was ich heute Nacht so gehört habe, könnte es auch durchaus einer aus Euren eigenen Reihen gewesen sein, der die Tat begangen hat!«
»Was untersteht Ihr Euch!«, entfuhr es Reichmann, der jetzt entrüstet aufsprang. »Auf, gehen wir!«, wandte er sich an Fauerbach.
Dieser ging auf Alma zu und packte sie grob am Arm. »Komm Sie mit!«, befahl er schroff.
»Einen Moment!«, war plötzlich die rauchige Stimme von Irene zu vernehmen. Aller Augen, insbesondere die der Herren, richteten sich auf die junge Hübscherin, die nun ebenfalls aufgestanden war und langsam auf ihre Mutter und die Männer zuging. »Wenn Ihr meine Mutter mitnehmt, müsst Ihr auch mich mitnehmen«, erklärte sie entschieden. »Denn immerhin war ich es, wegen der der Streit überhaupt entbrannt ist – und ich habe Uffsteiner sogar eine runtergehauen.«
Fauerbach streifte Irene mit irritiertem Blick und murmelte unwirsch: »Meinethalben, dann kommt halt mit, wenn Ihr unbedingt wollt …« Er sah aus, als hätte ihm noch etwas auf der Zunge gelegen, doch die anmutige Hübscherin hatte ihm wohl den Wind aus den Segeln genommen. »Auf geht’s«, sagte er nur und fasste auch Irene am Arm. Dann strebte er mit den beiden Ulmerinnen, gefolgt vom Bürgermeister und den Stangenknechten, dem Ausgang zu.
Unversehens vertrat ihm die Hurenkönigin den Weg. »Alma kann die Tat gar nicht begangen haben«, erklärte sie mit zitternder Stimme, »aus dem einfachen Grund, weil sie die Nacht mit mir verbracht hat.«
Im Schankraum herrschte betretenes Schweigen, aller Augen waren auf die Gildemeisterin gerichtet. Ursel spürte, wie sie rot wurde. Obgleich ihr die Situation peinlich war, holte sie tief Luft und erwiderte trotzig: »Ja, so war es, und dafür verbürge ich mich auch!« Sie musterte den Richter streng, ehe sie fortfuhr: »Außerdem hätte doch die Deckingerin das Frauenhaus in der Nacht gar nicht mehr verlassen können, weil der Hausknecht wie jeden Abend abgeschlossen hatte. Und das gilt im Übrigen auch für die anderen Hübscherinnen.«
Den Untersuchungsrichter schien ihr Einwand wenig zu beeindrucken. »Und wenn schon«, brummelte er stirnrunzelnd und wies auf die Fenster des Schankraums. »Es dürfte für sie ein Leichtes gewesen sein, aus einem dieser Fenster zu klettern. Die liegen ja alle im Erdgeschoss.«
Ursel geriet immer mehr in Rage. »Junger Mann, Ihr seid drauf und dran, den gleichen Fehler zu begehen wie Euer Vorgänger«, fuhr sie ihn an. »Der hat sich damals bei den Hurenmorden auch auf die Falschen eingeschossen und war nicht mehr davon abzubringen!«
Der Untersuchungsrichter schnaubte wütend: »Eine Hure braucht mir nicht zu erklären, wie ich meine Arbeit zu machen habe! Ich werde natürlich alle Spuren genauestens überprüfen, auch wenn sie noch so abwegig erscheinen. Aber diese hier«, er wies auf Alma, »ist nun mal die Erste.«
Bernhard von Wanebach runzelte die Stirn, als sein Diener um die Mittagsstunde Ursel in die Wohnstube führte. »Was verschafft mir die Ehre?«, fragte er distanziert und bot ihr erst nach kurzem Zögern einen Stuhl an.
»Ich … ich möchte mit dir reden«, erwiderte die Hurenkönigin mit brüchiger Stimme. Ihre Stimmung war nach Almas Verhaftung mehr als gedämpft, doch sie vermied es, dem Geliebten gleich davon zu berichten. Zunächst mussten andere Dinge zur Sprache kommen.
Ursel ließ sich auf den Stuhl sinken und sah Bernhard an. Voller Zuneigung musterte sie sein feingeschnittenes Gesicht und die hohe Denkerstirn. Am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen – so wie früher, wenn es zwischen ihnen kleine Unstimmigkeiten gegeben hatte – und hätte sich unter Küssen mit ihm versöhnt. Doch er wich ihrem Blick aus und hielt die Augen stattdessen mit unbeteiligter Miene auf die Seiten des Buches gerichtet, das aufgeschlagen vor ihm auf dem Tisch lag.
Verletzt senkte Ursel den Kopf. Die Kluft zwischen ihnen war einfach zu groß.
»Es hat mir sehr weh getan, als ich dich mit Irene habe wegfahren sehen«, stieß sie hervor und fühlte, wie ihr die Tränen kamen.
Bernhard schwieg und blickte noch immer nicht auf. Er strahlte eine Kälte aus, wie sie das bisher noch nie bei ihm wahrgenommen hatte.
»Den Stein hast du ins Rollen gebracht, meine Liebe«, erwiderte er dann mit zuckenden Mundwinkeln. Dann brach es aus ihm heraus: »Du hast für diese Frau
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