Die Hurenkönigin und der Venusorden
anderen Mannsbilder, die sich von jedem schönen Lärvchen gleich betören lassen«, schimpfte sie erbittert.
»Ich kann deinen Zorn gut verstehen«, sagte Irmelin stirnrunzelnd. »Aber der Ärger wird sich mit der Zeit legen, und dann bleibt nur noch der Schmerz – und die Angst, Bernhard endgültig zu verlieren.«
»Ich hab ihn doch schon verloren«, sagte Ursel unglücklich.
»Hast du nicht, du dummes Ding! Der leidet doch genauso wie du.«
»Und schmachtet einer anderen hinterher!«, schnappte die Hurenkönigin. »Ich könnte sie in der Luft zerreißen, dieses verdammte Weibsstück!«
Mit ihrem wütenden Schimpfen rannte sie bei Irmelin offene Türen ein.
»Setz das Miststück doch einfach vor die Tür!«, ereiferte sich die alte Hübscherin. »Und ihre Mutter gleich dazu. Seit die beiden im Haus sind, geht hier alles drunter und drüber. Die haben hier nur böses Blut reingebracht, diese verfluchten Ulmerinnen. Die Alte hat dir den Kopf verdreht und die Junge dem Bernhard. Man könnte grad meinen, das ist ein abgekartetes Spiel …«
Die Hurenkönigin sah Irmelin verwundert an. »Wie meinst du das?«, fragte sie beklommen.
»Na, es kommt mir ganz so vor, als würden sich die beiden alle Mühe geben, euch zwei auseinanderzubringen.«
Ursel brütete vor sich hin. »Aber ich glaube nicht, dass Alma mir etwas Böses will«, erklärte sie schließlich.
»Du bist viel zu gutmütig, Meistersen. Schmeiß sie raus, das ist das Beste. Denk dabei auch an Bernhard – du weißt doch: aus dem Auge, aus dem Sinn!«
Skeptisch schüttelte die Hurenkönigin den Kopf. »Ganz so einfach ist das nicht. Aus dem Auge bedeutet ja noch lange nicht aus dem Herzen.«
»Wie auch immer, Meistersen, vielleicht sind wir die zwei ja ohnehin schon bald los. Jetzt, wo der Fauerbach die am Wickel hat …«, sagte Irmelin mit hämischem Grinsen. Sie tätschelte Ursel aufmunternd die Schulter und fügte gehässig hinzu: »Und das geschieht ihnen ganz recht!«
»Irmelin!«, tadelte sie Ursel. »Was sagst du denn da? Ich habe eher den Eindruck, die hohen Herren wollen Alma unbedingt den Mord anhängen. Und das werde ich nicht zulassen!«
Irmelin zog die Brauen in die Höhe und knurrte verdrossen: »Wenn du derzeit keine anderen Sorgen hast …«
»Schon«, erwiderte Ursel. »Aber trotzdem werde ich nicht tatenlos zusehen, wie Alma zu Unrecht verdächtigt wird.«
Irmelin schüttelte entgeistert den Kopf. »Du bist doch nicht mehr zu retten«, schnaubte sie. Doch ehe sie das Zimmer verließ, umarmte sie die Hurenkönigin und versicherte ihr, sie könne immer auf sie zählen.
»Danke, altes Mädchen«, erwiderte Ursel gerührt.
Nachdem Irmelin gegangen war, starrte die Hurenkönigin eine ganze Zeitlang einfach nur vor sich hin und hing ihren trüben Gedanken nach. Der Drang, in die Apotheke zu gehen und sich eine Flasche Theriak zu kaufen, wurde immer stärker. Mit mühsamen Bewegungen goss sie etwas Wasser in die Waschschüssel und wusch sich das verweinte Gesicht. Dann streifte sie den grauen Kapuzenumhang über, zog sich die Kapuze ins Gesicht und verließ ihr Zimmer.
Missmutig bahnte sie sich den Weg durch das dichte Menschengetümmel am Römerberg. Leider gab es keine Möglichkeit, das Messetreiben zu umgehen, denn das Apothekerviertel um die Braubachgasse lag direkt hinter dem Rathausplatz. Das Gedränge und die vielen Menschen, die sich allerorts um die Verkaufsbuden drängten, ließen die Hurenkönigin immer gereizter werden.
Ich schlage drei Kreuze, wenn ich endlich wieder daheim bin und mir die Decke über den Kopf ziehen kann, dachte Ursel ein ums andere Mal und setzte immer wieder die Ellenbogen ein, um besser voranzukommen. Mit gesenktem Kopf schob sie sich durch die Menschenmassen, da stieß sie unversehens mit einer Passantin zusammen.
Ursel warf der Frau einen ärgerlichen Blick zu, dann erkannte sie, dass es Irene war.
»Was machst du denn hier?«, fragte sie erstaunt. »Ich dachte, du wärst auf der Polizeiwache.«
»Da war ich auch bis gerade eben«, erwiderte Irene und schaute sich suchend um. »Wollen wir nicht an einen ruhigeren Ort gehen? Dann kann ich Euch ausführlich berichten, was sich dort zugetragen hat.«
Das Blut der Hurenkönigin geriet beim Anblick der jungen Ulmerin zunehmend in Wallung, doch sie bezwang sich, so gut es ging. »Wir könnten runter an den Main gehen«, schlug sie mit leicht bebender Stimme vor und wandte sich in Richtung Flussufer.
Am Mainkai war tatsächlich weniger Betrieb,
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