Die Hurenkönigin und der Venusorden
es immer so gehasst, wenn ich feuchte Hände hatte …
»Nein«, erwiderte sie gehetzt. Am liebsten wäre sie aufgestanden und davongelaufen, aber das Flüchten hatte sie längst verlernt. Wer nach dem ersten Schlag nicht wegläuft, der schafft es nimmermehr , das war die bittere Lektion aus dem Leben mit ihrem Ehemann.
Wie ein Peitschenhieb traf sie die nächste Frage der Hurenkönigin: »Gibt es irgendjemanden, dem Ihr diese schreckliche Tat zutrauen würdet? Ich meine, hatte Euer Mann Feinde?«
»Nicht dass ich wüsste«, antwortete Genoveva schnell. »Mein Mann wurde von allen sehr geschätzt, wegen seiner … direkten Art und seiner Geradlinigkeit. Mitunter konnte er auch ein wenig aufbrausend sein, aber das hat ihm niemand übelgenommen …«
Die Zimmerin seufzte vernehmlich, und aus ihren Augen sprach Anteilnahme. Mit gesenkter Stimme fragte sie weiter: »Und Ihr? Habt Ihr ihm das auch nicht übelgenommen?« Sie wies auf die Blessuren in Genovevas Gesicht.
Wie vom Blitz getroffen, sprang die Witwe auf und schrie mit einer Heftigkeit, über die sie selbst erschrak: »Ich habe meinen Mann geliebt!«
Die Fremde erhob sich, fasste Genovevas Hand und streichelte ihr sanft über den Handrücken. Dann empfahl sie sich mit den Worten: »Ich wünsche Euch alles Gute! Und verzeiht mir bitte, wenn ich Euch mit meinen Fragen belästigt haben sollte.«
Genoveva blickte der Frau im grauen Mantel so lange hinterher, bis sie hinter der Leonhardspforte verschwand. Was für eine merkwürdige Frau, dachte sie beunruhigt, der ist nichts Menschliches fremd.
Ursel empfand eine tiefe Traurigkeit, als sie durch die Leonhardspforte ging und in die Alte Mainzer Gasse einbog. Die Begegnung mit Genoveva Uffsteiner war ihr sehr nahegegangen. Was für ein armes Geschöpf, dachte sie mitfühlend.
Kaum hatte sie den vollen Schankraum des Frauenhauses betreten, kam Irene, die mit einem Freier am Tisch gesessen hatte, auf sie zugeeilt und fragte aufgeregt: »Was habt Ihr denn beim Bürgermeister erreicht?«
Ursel winkte ab und murmelte verdrossen: »Nichts. Er war nicht da. Es hieß, er wäre mit Geschäftsfreunden unterwegs. Und den Untersuchungsrichter habe ich auch nicht angetroffen. Die Schergen sagten, er würde Ermittlungen durchführen.« Die Hurenkönigin verdrehte spöttisch die Augen und trat an die Theke, um sich bei Franz einen Becher Wein zu holen.
»Aber ich habe jemand anderen getroffen«, raunte sie Irene zu, die ihr zum Tresen gefolgt war. »Als ich durch die Neue Kräme kam, hat mir Frau Schütz, eine Nachbarin von Uffsteiners, den Tipp gegeben, dass Frau Uffsteiner gerade mit dem Hund zum Main gegangen sei. Da bin ich gleich hinterher und habe sie dort auch gefunden.« Ursel unterbrach ihre Ausführungen und bat Franz, der trübsinnig zu ihnen herüberblickte, um einen Becher Burgunderwein. Als er ihr wortlos den Wein hinstellte, musterte ihn die Zimmerin irritiert. »Was hast du denn, Franz? Du wirkst so bedrückt?«, fragte sie.
»Nichts«, grummelte der Frauenhausknecht einsilbig und verzog sich zum anderen Ende des Tresens, wo er mit mürrischem Gesicht Bier zapfte.
Ursel sah ihm nachdenklich hinterher, dann wandte sie sich wieder Irene zu, die sie erwartungsvoll ansah.
»Ein total verängstigtes Frauchen«, erzählte Ursel mitleidig. »Die Spuren der Misshandlung hat man ihr noch deutlich angesehen. Ich habe ihr Fragen zu der Mordnacht gestellt und ob ihr Gatte Feinde hatte, doch sie war verschlossen wie eine Auster. Hat nachdrücklich bekundet, wie beliebt ihr Mann überall gewesen sei, und als ich sie auf ihre Blessuren angesprochen habe, ist sie förmlich aus der Haut gefahren und hat beteuert, wie sehr sie ihren Ehemann geliebt habe.«
Irene runzelte die Stirn. »So ist das bei manchen Frauen«, bemerkte sie erbittert. »Sie kriegen von ihren Männern Dresche, und wenn du ihnen helfen willst, treten sie dir noch in den Hintern. Das gilt auch für Huren, die ihrem lieben Mann die Treue halten, selbst wenn er sie mit Füßen tritt. Ich denke mir immer, die wollen es nicht anders. Denn auch zum Quälen gehören immer zwei …«
»Da magst du recht haben«, erwiderte die Hurenkönigin und trank von ihrem Wein. »Aber das Gespräch mit Frau Uffsteiner war trotzdem sehr aufschlussreich. Sie hat nämlich verschwiegen, dass ihr Bruder, der Senator Neuhof, sie in der Mordnacht noch aufgesucht hat – und das gibt mir doch sehr zu denken.«
Irene nickte gedankenvoll. »Vielleicht kann uns das ja
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