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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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weiterhelfen«, murmelte sie. Im nächsten Moment fuhr sie herum, weil sie eine Hand auf der Schulter spürte.
    »Wo bleibst du denn, mein Täubchen?«, fragte ihr Freier ungeduldig und zog sie ungestüm zu sich heran. »Wir wollten doch auf dein Zimmer gehen …«
    Irene stieß den Mann wütend von sich. »Lass mich bloß in Ruhe!«, fauchte sie aufgebracht. »Wann ich mit jemandem aufs Zimmer gehe, bestimme ich immer noch selber! Hol dir doch eine andere, wenn du’s so eilig hast.«
    Ihre hellen Augen funkelten derart zornig, dass der Zimmerin der Atem stockte. Auch der Freier, allem Anschein nach ein wohlhabender Kaufmann, war erschrocken zurückgewichen. Fassungslos starrte er die Hübscherin an, und ihm schienen die Worte zu fehlen. Fast tat er der Hurenkönigin ein wenig leid.
    Die junge Ulmerin hatte wohl erkannt, dass sie zu weit gegangen war, denn sie hakte ihn unter und schnaubte resigniert: »Gut, dann gehen wir halt. Zimmerin, wir unterhalten uns ein andermal weiter.« Mit dem Galan im Schlepptau verließ sie den Aufenthaltsraum.
    Die Zimmerin blieb an der Theke stehen und hing ihren Gedanken nach. Mit einem Mal gewahrte sie aus den Augenwinkeln, dass Franz verstohlen einen Becher Branntwein kippte – die offene Schnapsflasche stand noch daneben. Ursel hatte so etwas bei ihm noch nie beobachtet, schon gar nicht am späten Nachmittag, wenn sein Dienst noch lange nicht zu Ende war. Als seine Vorgesetzte konnte sie nicht umhin, ihn deshalb zurechtzuweisen, auch wenn ihr das unangenehm war. »Findest du es nicht ein bisschen früh, jetzt schon Schnaps zu trinken?«, sagte sie ungehalten.
    Der muskulöse Frauenhausknecht zuckte leicht zusammen, wandte sich zu ihr um und sagte betreten: »Ich habe Bauchweh, und da dachte ich, da kann ein Schnaps nicht schaden …«
    Obgleich er verlegen den Blick senkte, hatte Ursel bemerkt, wie glasig und gerötet seine Augen waren. Sein sonst so frisches Lausbubengesicht wirkte teigig und aufgedunsen. Dem geht es nicht gut, wurde es der Hurenkönigin bewusst.
    »Komm doch mal her«, sagte sie begütigend.
    Unwillig trat der baumlange Bursche auf sie zu und stützte sich mit beiden Armen am Tresen ab.
    »Was ist denn?«, fragte er unbehaglich.
    Ursel bemerkte, dass sein Atem nach Branntwein roch. Er war eindeutig betrunken, auch wenn er es zu verbergen suchte.
    »Du gehst jetzt sofort hoch auf dein Zimmer und legst dich ins Bett«, zischte sie. »Schlaf deinen Rausch aus, und morgen, wenn du wieder nüchtern bist, will ich genau wissen, was mit dir los ist. Hast du mich verstanden? Und solange übernehme ich den Ausschank.«
    »Meistersen, es tut mir leid«, murmelte Franz mit schwerer Zunge. »Aber es zerreißt mich fast vor Schmerz!« Der starke Mann schien den Tränen nahe.
    »Was hast du denn, mein Junge?«, fragte Ursel bekümmert. »Komm, sag es mir, mit mir kannst du doch reden.« Sie tätschelte ihm ermunternd die Pranke.
    »Ich weiß, Meistersen, Ihr seid eine ehrliche Haut und meint es gut mit mir. Auch der Josef hält große Stücke auf Euch. Aber ich erzähl es Euch lieber ein andermal, wenn ich wieder nüchtern bin«, erwiderte er mit belegter Stimme. Er kippte noch rasch einen letzten Schnaps, kam leicht torkelnd hinter der Theke hervor und überließ der Frauenhauswirtin das Feld.
    Obwohl es schon länger her war, dass Ursel zuletzt den Ausschank betrieben hatte, fand sie sich doch schnell hinterm Tresen zurecht, und alles ging ihr flott von der Hand. Im Schankraum herrschte, wie an allen Tagen der Frühjahrsmesse, reger Betrieb, und sie war unentwegt damit beschäftigt, Becher und Krüge mit Wein zu füllen, Bier zu zapfen und sich nebenbei mit der Kundschaft zu unterhalten.
    Daher hatte sie Bernhards Eintreten gar nicht bemerkt, erst als er vor ihr stand und mit belegter Stimme ein Bier bestellte, fuhr sie erschrocken zusammen. Sie war wie vom Donner gerührt. Auch Bernhard schienen die Worte zu fehlen, sie blickten einander nur schweigend an.
    Obwohl ihr das Herz bis zum Hals schlug, besann sich Ursel wieder auf ihre Arbeit und nahm weiterhin die Bestellungen der Männer entgegen, die sich an der Theke drängten. Während sie mit bebenden Händen Becher füllte und Münzen zählte, wandte sie sich Bernhard zu und fragte unfreundlich: »Suchst du Irene? Die ist gerade mit einem Freier aufs Zimmer gegangen.«
    Bernhard schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Ich bin wegen dir gekommen«, stieß er hervor.
    Als Ursel ihm sein Bier hinstellte, beugte er sich vor

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