Die Hurenkönigin und der Venusorden
Schankraum betrat und sich den Weg zum Tresen bahnte, hatte er alle Mühe, es nicht fallen zu lassen.
Er bestellte bei Irmelin einen Krug Wein, und die alte Hübscherin musterte ihn besorgt. Dann tätschelte sie ihm aufmunternd die Wange.
»Das wird schon wieder, mein Junge«, sagte sie gutmütig und stellte ihm einen Schoppen Branntwein hin, den er in einem Zug leerte.
»So schlimm?«, murmelte die Dienstälteste betroffen.
Bernhard grummelte nur »Geht schon« und ging mit bekümmerter Miene zur Treppe.
Ursel hatte im ganzen Zimmer Kerzen angezündet und blickte ihm freudig entgegen, als Bernhard das Zimmer betrat. »Schön, dass du wieder da bist«, sagte sie, und ihre dunklen Augen glänzten vor Zuneigung – was Bernhards Herz nur noch schwerer machte. Er musste heftig schlucken.
Dennoch bemühte er sich, ein freundliches Gesicht aufzusetzen und sich seine Niedergeschlagenheit nicht anmerken zu lassen. Er konnte sich doch nicht bei Ursel ausheulen, wegen Irene! Daher verschwieg er ihr auch das unerfreuliche Erlebnis und konzentrierte sich auf den eigentlichen Grund seines Besuches.
»Ich war heute Morgen bei Pater Rufus im Dominikanerkloster«, begann er ernst. »Du hast mir doch erzählt, dass Alma und Irene dem Orden der Venusschwestern angehören. Das ging mir nicht aus dem Kopf, und so habe ich mich schließlich an meinen Oheim gewandt, der auf häretische Geheimbünde spezialisiert ist.«
»Was du nicht sagst!«, entfuhr es der Hurenkönigin, die Bernhard mit großen Augen lauschte.
»Nun, wie ich es erwartet hatte, konnte mir Rufus auch weiterhelfen«, erzählte der Gelehrte langsam und trank einen Schluck Wein, ehe er mit finsterer Miene fortfuhr: »Die Auskunft war vernichtend.« Dann erläuterte er Ursel die Hintergründe der Venusschwestern, die ihm der alte Dominikaner aufgedeckt hatte.
Ursel hörte ihm mit wachsender Anspannung zu. »Das mit der Kastration wusste ich schon«, erwiderte sie nachdenklich. »Alma hat mir davon erzählt, dass die männlichen Diener der Venus allesamt Eunuchen waren. Sie selbst … sie trägt ein Kettchen mit einer goldenen Mondsichel um den Hals«, sagte sie mit brüchiger Stimme. Als sie daraufhin Bernhards entsetzten Gesichtsausdruck gewahrte, beeilte sie sich hinzuzufügen: »Natürlich nur als Miniatur!« Dann bemerkte sie sachlich: »Aber das bedeutet ja noch lange nicht, dass sie deswegen auch Uffsteiner kastriert hat.«
»Das behaupte ich ja auch gar nicht«, erwiderte Bernhard erregt. »Ich will dich nur vor diesen Venusschwestern warnen. Rufus hat gesagt, sie sind gefährlich. Von der Inquisition werden sie als Hexen betrachtet und auch als solche verfolgt …«
»Wen die alles als Hexen einstufen!«, schnaubte Ursel aufgebracht. »Diese Bluthunde bezichtigen doch alle möglichen Leute der Hexerei, selbst die harmlosesten Zeitgenossen. Ich erinnere mich an den armen Totengräber Heinrich Sahl, den Vater der früheren Totenmagd Katharina Hillgärtner. Den haben sie doch auch bestialisch gefoltert und aufs Rad geflochten, obwohl er unschuldig war!«
»Du weißt genau, dass ich der Kirche kritisch gegenüberstehe und längst nicht alles gutheiße, was im Namen der Römischen Kurie so alles verbrochen wird«, verteidigte sich Bernhard ungehalten. »Und ich bin bestimmt der Letzte, der eine Frau als Hexe denunzieren will. Aber diese Alma hat keinen guten Einfluss auf dich! Das musst du doch selber erkennen, wenn du siehst, wie weit es mit uns gekommen ist.« Erbittert sah Bernhard die Hurenkönigin an. Ihm waren Tränen in die Augen getreten.
Ursel drückte ihn an sich und erklärte bewegt: »Bernhard, ich erhoffe mir nichts sehnlicher, als dass du wieder zu mir zurückkehrst.«
»Wie war es eigentlich für dich, Lust mit einer Frau zu erfahren?«, stieß er plötzlich hervor.
Ursel war wie vom Donner gerührt. Obgleich sie Bernhard noch nichts von der verhängnisvollen Nacht mit Alma erzählt hatte, fühlte sie sich doch eigentümlich ertappt. »Ich … ich kann mich nicht mehr so genau daran erinnern«, murmelte sie betreten. »Ich war nicht mehr ganz bei Sinnen.«
»Das entschuldigt natürlich alles«, bemerkte Bernhard sarkastisch und entzog sich ihr abrupt.
»Das sollte keine Entschuldigung sein!«, entrüstete sich die Hurenkönigin. »Ich wollte damit nur sagen, dass ich es nicht mehr so genau weiß.« Unversehens packte sie Bernhard an den Schultern, näherte ihr Gesicht dem seinen und sagte voller Inbrunst: »Ich weiß nur eines: dass ich
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