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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Professor Johannes Avenarius. Wir gehören der gleichen Bruderschaft an, die ehrenwerte ›Bruderschaft zur Vorbereitung auf den Tod‹, die 1490 in Ulm gegründet wurde. Wir stehen in regelmäßigem Briefkontakt. Wenn du möchtest, erkundige ich mich bei ihm einmal über die Hübscherinnen aus Ulm. Vielleicht ist ihm ja irgendetwas Bedeutsames zu Ohren gekommen …«
    Bernhard überlegte kurz und nahm dann das Angebot seines Oheims an.
    Wenig später verabschiedete er sich mit einer herzlichen Umarmung von dem Dominikanermönch. »Danke für alles, Onkel Rufus«, sagte er und machte sich auf den Heimweg.
    Nachdem Bernhard gegangen war, zögerte der alte Mönch keine Minute. Er zückte sogleich Feder und Tinte und begann mit zittriger Hand einen Brief zu schreiben.

    Um die Mittagsstunde hatte es der Henker eilig, aus dem Mainzer Turm hinauszugelangen, und schlug mit fliegenden Schritten den Weg zum nahegelegenen Frauenhaus ein. Nach dem langen, ermüdenden Verhör der Hübscherin, bei dem er die Folter in ihrer ganzen Bandbreite angewendet hatte, von der sogenannten leichten Befragung bis hin zur verschärften Fragestellung, gelüstete es ihn nach einem ordentlichen Quantum Bier, um sich seinen Verdruss von der Seele zu spülen. Außerdem musste er der Zimmerin, die wohl schon ungeduldig seiner harrte, Rapport erstatten.
    Die einheimischen und ortsfremden Messebesucher sprangen aufgeregt zur Seite, sobald sie die imposante Gestalt in der Henkerstracht – blutrote Beinlinge und ein flaschengrünes Wams – erblickten, denn mit dem Mann des Todes mochte keiner auf Tuchfühlung gehen.
    Zuweilen hat es auch etwas für sich, ein Unberührbarer zu sein, dachte Meister Jerg sarkastisch und beäugte die Angsthasen voller Häme.
    Kaum hatte er den Schankraum des Frauenhauses betreten, eilte er zielstrebig zur Theke und bestellte sich beim Frauenhausknecht einen großen Krug Bier. Franz Ott, der sonst so frohgemute Bursche, mit dem Meister Jerg gerne ein Späßchen machte, begegnete ihm heute jedoch ungewohnt wortkarg und übellaunig.
    »Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«, fragte ihn der Henker befremdet.
    »Das könnte ich Euch auch fragen«, knurrte Franz. »Ihr guckt ja auch nicht gerade fröhlich aus der Wäsche.«
    »Das liegt an meinem Geschäft«, erwiderte der Henker. »Wir täten auch lieber Bier zapfen und mit den Weibern schäkern, als den ganzen Tag Leute zu quälen …«
    Da vernahm er die Stimme der Hurenkönigin: »Meister Jerg, da seid Ihr ja endlich!«
    Er wandte sich zu ihr um. »Bin gleich bei Euch, Zimmerin«, rief er ihr zu. »Hol mir nur noch eine Maß.«
    Die Hurenkönigin hatte sich an einen ruhigen Ecktisch zurückgezogen. An ihrer Seite saß eine junge Hübscherin, die der Henker noch nie zuvor im Frauenhaus gesehen hatte. Sie war so attraktiv, dass sie ihm bestimmt längst aufgefallen wäre, denn Meister Jerg hatte einen Blick für schöne Frauen. Das musste die junge Ulmerin sein, der alle Kerle hinterherhechelten!
    Tatsächlich stellte ihm die Hurenkönigin die junge Frau als Irene, die Tochter von Alma Deckinger, vor.
    »Ist mir ein Vergnügen«, sagte er mit breitem Grinsen, nahm einen tiefen Schluck aus dem Bierkrug und unterdrückte ein Rülpsen, ehe er hervorstieß: »So was habe ich in meiner ganzen Amtszeit noch nicht erlebt!«
    »Was denn?«, fragte die Hurenkönigin alarmiert. Sie platzte förmlich vor Ungeduld. »Ist ihr … ist ihr vielleicht etwas zugestoßen?« Angstvoll presste sie die Hand auf den Mund.
    »Das darf nicht sein!«, schrie Irene auf. Ihr ebenmäßiges Gesicht war schneeweiß geworden.
    Der Henker beeilte sich, die beiden zu beruhigen. »Nein, nein«, erklärte er beschwichtigend. »Ich meine, ich hab noch nie erlebt, dass eine so stur ist. Hat ums Verrecken kein Geständnis abgelegt. Bei der leichten Befragung nicht und bei der verschärften auch nicht. So ein zähes Luder!« Meister Jerg verzog anerkennend die Mundwinkel. »Dieser Stockfisch von Untersuchungsrichter hat sie immer wieder darauf festnageln wollen, wo sie denn gewesen ist. Sie ist ja in der Mordnacht von einer der Huren gesehen worden, wie sie sich auf dem Gang rumgedrückt hat, und da wollte er ihr unterstellen, dass sie draußen war und den Uffsteiner abgemurkst hat. Aber das hat sie mit allem Nachdruck von sich gewiesen, auch dann noch, als sie auf der Streckbank lag. Sie hat gesagt, dass sie deswegen noch auf dem Flur war, weil sie nachsehen wollte, ob ihre Tochter schon wieder da

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