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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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entschieden.
    »Das weiß ich inzwischen auch«, entgegnete Fauerbach kühl. »Euer Oheim hat mich nämlich eines Besseren belehrt.«
    Daraufhin konfrontierte der Richter sie mit den Aussagen Anton Neuhofs und sah sie eindringlich an.
    Gertrud blieb jedoch gänzlich unbeeindruckt. Sie bemerkte nur lapidar: »Dann hat er Euch aber nicht alles verraten.«
    Auf Fauerbachs Nachfrage hin verzog sie den Mund zu einem sarkastischen Lächeln und sagte: »Ich habe noch auf ihn gespuckt, als wir gegangen sind!«
    Dem Untersuchungsrichter verschlug es kurzzeitig die Sprache. Auch die beiden Stangenknechte, die Fauerbach mit der Bewachung der widerspenstigen jungen Frau beauftragt hatte, zeigten sich schockiert.
    »So etwas Niederträchtiges wie Ihr, das ist mir noch nie untergekommen!«, stieß der Richter hervor und warf die Hände in die Höhe.
    »Wie auch?«, konterte Gertrud hämisch. »Wo Ihr doch gerade erst aus dem Hörsaal gekommen seid.«
    »Also das geht zu weit!«, schnaubte der Jurist aufgebracht.
    Mit herrischer Geste schnitt ihm Gertrud das Wort ab. »Lasst es gut sein«, beschied sie ihn. »Und lasst uns dieses dämliche Verhör verkürzen, indem wir gleich zur Sache kommen. Ich habe meinen Vater nicht umgebracht – auch wenn Ihr mir das gerne anhängen wollt«, erklärte sie, ohne Fauerbach zu Wort kommen zu lassen. »Aber dass wir ihm nicht geholfen haben und ihn einfach so krepieren ließen, nehme ich voll und ganz auf meine Kappe!« Ihre Augen blitzten derart hasserfüllt, dass dem Richter die Luft wegblieb. »Das bereue ich überhaupt nicht, selbst wenn ich dafür in der Hölle schmoren muss! – Das kann auch nicht viel schlimmer sein als das, was uns dieser Drecksack all die Jahre angetan hat.« Sie hob den Kopf, suchte Fauerbachs Blick und erklärte mit einer Tücke, die jedem Inquisitor zur Ehre gereicht hätte: »Und glaubt ja nicht, dass Ihr mich und meine Leute dafür bestrafen könnt! Den Vorsitz in Strafgerichtssachen führt immer noch der Bürgermeister, und die Entscheidung trifft der Rat der Stadt Frankfurt – und die werden mildernde Umstände für uns geltend machen. Darauf könnt Ihr Euch verlassen!«
    Das war zu viel für Fauerbachs Juristengemüt. Seine Züge bebten, und Tränen der Wut stiegen ihm in die Augen, als er sich vorbeugte und Gertrud ins Gesicht zischte: »Ihr habt Euren Vater auf dem Gewissen, da bin ich mir sicher! Gleich morgen werde ich Euch auf die Folterbank spannen lassen und das Geständnis aus Euch herauspressen!«
    »Dafür wird Euch der Rat nie und nimmer die Erlaubnis erteilen!«, erklärte Gertrud mit gehässigem Grinsen.
    »Schafft mir sofort dieses Weib aus den Augen!«, brüllte der Richter den Bütteln zu und musste in diesem Moment schwer an sich halten, gegen die Gefangene nicht tätlich zu werden.

10
    Sonntag, 1 . April 1512 – Palmsonntag
    An diesem frühlingshaften Sonntagmorgen hatte die Hurenkönigin ausgiebig gebadet und sich das Haar mit Henna gefärbt, um die grauen Strähnen zu verdecken.
    Obgleich ihr der Tod von Franz noch sehr nachging, kehrte sie doch wundersam gestärkt in ihr Zimmer zurück und öffnete das Fenster, um frische Luft hereinzulassen. Die Freude über ein Wiedersehen mit Bernhard überstrahlte ihre Trauer. Während sie sich sorgfältig das Gesicht schminkte, musste sie ständig an ihn denken. Wie so häufig in letzter Zeit kam ihr die erste Begegnung mit ihm in den Sinn, jener regnerische Novemberabend vor nunmehr vierzehn Jahren, der ihr Leben so grundlegend verändert hatte. Schon immer hatte Ursel eine Vorliebe für gebildete Männer. Obwohl sie selbst weder lesen noch schreiben konnte, hatten stets zahlreiche Gelehrte zu ihren Stammfreiern gehört, mit denen sie oftmals interessante Gespräche geführt hatte.
    Als sie damals dem schlanken, gutaussehenden Mann im schwarzen Gelehrtentalar, der mit einer Gruppe von Kollegen ins Frauenhaus gekommen war, im Schankraum gegenüberstand und in seine klugen grauen Augen blickte, war ihr, als wäre ihr ein Blitz in die Magengrube gefahren. Sie fühlte sich derart stark von ihm angezogen, dass sie kein Wort herausbrachte. Sich auf ihre Professionalität besinnend, lächelte sie ihn verführerisch an – ein Lächeln, welches – und das spürte sie mit jeder Faser – alles andere als aufgesetzt war. Sie wollte ihn haben, diesen Mann, koste es, was es wolle!
    Bernhard schien es ähnlich zu ergehen, er konnte seinen Blick kaum von ihr wenden. Und so hatten ihre Augen schon längst eine

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