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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Verhör geben.
    Reichmann zeigte sich zwar einigermaßen betroffen über die Unterlassungsschuld, welche die Angehörigen von Claus Uffsteiner auf sich geladen hatten, als der Richter jedoch erläuterte, dass er Gertrud zudem noch des Mordes an ihrem Vater verdächtige, und den Bürgermeister um Erlaubnis bat, sie peinlich zu befragen, lehnte er empört ab. Er bedingte sich aus, bei der neuerlichen Befragung Gertruds, die seines Dafürhaltens auch durchaus auf den Montag hätte verlegt werden können, anwesend zu sein.
    Obwohl Reichmann und seinen Senatskollegen längst schwante, dass sie sich mit dem übereifrigen jungen Juristen eine Laus in den Pelz gesetzt hatten, mochte der Bürgermeister den Sprössling einer angesehenen Patrizierfamilie nicht ganz vor den Kopf stoßen und gab seinem Drängen auf eilige Ermittlungen nach. Zumal Fauerbachs Vater der gleichen Stubengesellschaft angehörte wie er selbst, und den wollte er sich doch gewogen halten. – Gleichzeitig jedoch fühlte er sich auch der Familie Uffsteiner verpflichtet, und wenngleich Jungfer Gertrud alles andere als eine Zierde ihres Geschlechts war und mit ihrem aufbrausenden Wesen dem verstorbenen Vater in nichts nachstand, so kannte er sie doch schon von klein auf und pflegte einen vertraulichen Umgang mit ihr.
    Daher atmete die Delinquentin, als die Schergen sie am nächsten Morgen um die zehnte Vormittagsstunde erneut in das Verhörzimmer führten, beim Anblick des Würdenträgers erleichtert auf.
    »Danke, dass du gekommen bist, Onkel Nikolaus!«, sagte sie voller Inbrunst. Tränen traten ihr in die Augen, als sie mit Blick auf ihre Fesseln erklärte, sie sei leider außerstande, ihm die Hand zu reichen.
    Sieh einmal an, sie kann auch höflich sein, dachte Fauerbach grimmig. Nur höchst unwillig leistete er dem Ansinnen des Bürgermeisters, man möge die Jungfer von der Fesselung befreien, Folge, indem er den Wärtern in entsprechender Schärfe den Befehl dazu erteilte.
    Als Fauerbach gleich darauf das Verhör eröffnete und Gertrud erneut mit dem Verdacht konfrontierte, ihren Vater ermordet zu haben, ignorierte sie ihn geflissentlich. Stattdessen wandte sie sich an den Bürgermeister: »Du darfst nicht zulassen, Onkel Nikolaus, dass man mir so etwas Schreckliches unterstellt! Ich bin doch keine Bestie, dass ich Vater so etwas antun könnte. Du kennst mich doch gut genug, um zu wissen, dass ich dazu überhaupt nicht in der Lage wäre!« Ihr Tonfall wurde immer eindringlicher. Unversehens strömten Tränen über ihre feisten Wangen, die rot waren vor Aufregung. Dann schlug sie verzweifelt die Hände vors Gesicht, und es brach aus ihr heraus: »Ich will offen zu dir sein, Onkel. Mein Vater hat mich während meiner ganzen Kindheit missbraucht. Als Mutter es gemerkt hat, hat sie ihm die schlimmsten Vorwürfe gemacht – und ist von ihm so sehr verprügelt worden, dass sie im Spital gelandet ist.« Sie blickte den Bürgermeister, der, ebenso wie Fauerbach, entsetzt aufgestöhnt hatte, aus tränengeröteten Augen an. »Das ist immer wieder passiert – du weißt ja selbst, dass er wegen der Misshandlungen von Mutter mehrfach im Kerker saß.« Gertrud senkte den Blick. »Es hörte erst auf, als ich größer wurde und ihm gedroht habe, ihn umzubringen, wenn er mich noch einmal anfassen würde.« Ihre Augen blitzten triumphierend, als sie fortfuhr: »Das hat wohl gesessen, denn seither hat er mich in Ruhe gelassen, und irgendwie hatte er sogar Angst vor mir. Das war auch gut so. Nur mit Mutter ist er weiterhin so umgesprungen, wie es ihm gerade gepasst hat, und hat sie wegen jedem Fliegenschiss verdroschen.« Gertrud versagte die Stimme, und sie wischte sich mit dem Ärmel die Tränen ab. »Manchmal denke ich, es ist noch schlimmer geworden, weil ich mich gewehrt habe, doch was hätte ich denn machen sollen?«, seufzte sie unglücklich. »Ich hab ihm ja immer die Pest an den Hals gewünscht und oft genug die Büttel gerufen, wenn er Mutter etwas getan hat, doch das hat ihn leider nicht davon abgehalten, sie bei nächster Gelegenheit wieder zu verprügeln.«
    Der Untersuchungsrichter räusperte sich betreten. »Ihr habt fürwahr Schreckliches durchgemacht«, sagte er. »Und es braucht niemanden zu verwundern, dass Ihr Euren Vater aus tiefstem Herzen gehasst habt. Daher werde ich …«, er warf einen Seitenblick auf den Bürgermeister, »… in Eurem Falle vor Gericht auch auf mildernde Umstände plädieren, dass Ihr den Mann, der Euch das angetan hat, im

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