Die Hurenkönigin und der Venusorden
Furor ermordet habt …«
»Ich habe meinen Vater nicht umgebracht!«, schrie Gertrud mit sich überschlagender Stimme und war erzürnt aufgesprungen. »Es ist zwar kein Tag vergangen, dass ich ihm nicht den Tod gewünscht hätte, und im Geiste, das gebe ich offen zu, habe ich ihn unzählige Male getötet. Aber in Wirklichkeit war ich bedauerlicherweise nicht dazu in der Lage.« Vor Erregung keuchend, ließ sie sich wieder auf den Stuhl sinken. »Und ich bereue es auch keine Minute lang, dass wir ihm nicht geholfen haben. Davon abgesehen wäre er ohnehin nicht mehr zu retten gewesen, so schwer verletzt, wie er war, und bei all dem Blut, das er schon verloren hatte. Er wäre doch sowieso bald gestorben.« Sie suchte wieder den Blick des Bürgermeisters, der tief bekümmert wirkte, und versicherte ihm noch einmal mit aller Eindringlichkeit, sie habe den Mord nicht begangen. Dann schwieg sie einen Moment und erklärte mit zynischem Lächeln: »Das hat jemand anderes für mich erledigt. Wer auch immer die Tat begangen hat, er oder sie hat uns damit einen großen Gefallen erwiesen!«
Sie erhob sich von ihrem Stuhl, streckte dem Untersuchungsrichter die Arme entgegen und knurrte despektierlich: »So, und jetzt könnt Ihr mich wieder in Ketten legen und ins Kittchen stecken lassen. Ich habe alles gesagt, was zu sagen war, und die Entscheidung, was mit mir geschehen soll, überlasse ich dem ehrenwerten Rat der Stadt Frankfurt.«
»Bei der ich allerdings auch noch ein Wörtchen mitzureden habe«, schnaubte Fauerbach erbost.
Nachdem Gertrud von den Wärtern abgeführt worden war, besprachen sich die Herren.
»Und selbst wenn sie den Mord zehnmal begangen hat, es wird weder eine Mordanklage noch ein entsprechendes Urteil geben. Das, mein lieber Fauerbach, kann ich Euch jetzt schon versichern«, erklärte der Bürgermeister barsch. »Wir werden ihnen allen natürlich einen ordentlichen Strafprozess wegen der unterlassenen Hilfeleistung machen, das schon. Und dann werden wir gemeinsam mit dem Senat ein angemessenes Urteil fällen.« Er warf dem aufgebrachten Fauerbach einen versöhnlichen Blick zu. »Wenn es Euer Gemüt beruhigt, dann sollen die Herrschaften meinethalben auch noch solange in Haft bleiben. Ich werde jedoch alles tun, dass wir die unerfreuliche Geschichte so schnell wie möglich zu den Akten legen können.«
»Ihr wollt den Mord an Eurem Senatskollegen Claus Uffsteiner ungesühnt lassen?«, fragte Fauerbach entrüstet.
Reichmann zuckte ungeduldig die Achseln. »Wir haben weder ein Geständnis noch irgendeinen Beweis …« Er gab Fauerbach zu verstehen, dass für ihn die Angelegenheit fürs Erste erledigt sei, und erhob sich mit den Worten: »Ich wünsche Euch noch einen schönen Sonntag!«
Der Richter starrte seinen Vorgesetzten fassungslos an. »Das kann doch nicht Euer Ernst sein, Herr Bürgermeister!«, rief er und stellte sich dem Würdenträger in den Weg. »Gertrud Uffsteiner hat Schlimmes durchgemacht, das will ich ja gar nicht in Abrede stellen. Aber dem Recht muss doch Genüge getan werden!«
»Das wird es ja auch, mein Guter, das wird es ja auch«, wiegelte Reichmann ab. »Doch in welcher Weise, darüber müssen wir erst noch im Senat beraten. Ich lasse Euch selbstverständlich Bescheid geben, wenn wir tagen …«
»Und was geschieht jetzt mit Alma Deckinger? Bei ihr konnte es Euch ja nicht schnell genug gehen, dass sie peinlich befragt wurde«, entfuhr es Fauerbach vorwurfsvoll. »Obwohl sie selbst bei der verschärften Folter kein Geständnis abgelegt hat, sitzt sie immer noch in Haft.«
Der Bürgermeister verzog unwirsch das Gesicht. »Ach, macht doch mit ihr, was Ihr wollt!«, schnaubte er gereizt und stürmte hinaus.
Ursel und Bernhard saßen auf der Bank im kleinen Rosengärtchen, das sich zwischen Stadtmauer und Frauenhaus befand, und genossen die letzten Sonnenstrahlen des frühlingshaften Tages.
Der Gelehrte blickte die Hurenkönigin versonnen an und fragte: »Was hältst du davon, wenn wir nächste Woche auf den Lohrberg fahren und es uns im Landhäuschen über die Osterfeiertage gemütlich machen?«
Ursel strahlte. Auf Bernhards kleinem Landsitz, der inmitten malerischer Weinberge oberhalb der Ortschaft Bornheim lag, hatten sie häufig die Sommerfrische verbracht und unbeschwerte, glückliche Tage erlebt.
»Was für eine herrliche Idee!«, seufzte Ursel. »Leider muss ich vorher noch ein paar Dinge klären. Was nun nach Ostern mit dem Frauenhaus wird, wann wir einen neuen
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