Die Hurenkönigin und der Venusorden
unbändiger Schadenfreude. Übermütig hakte sie sich bei ihrer Mutter unter und sagte: »Das sollten wir feiern, Mutsch! Da wird nicht mehr viel nachkommen, so wie der zurückgerudert hat. Die ganze Sache wird ihn sein Amt kosten, da bin ich mir sicher. Die Hure hat uns Glück gebracht – und das nun schon zum zweiten Mal. Ich möchte unbedingt zu ihrer Hinrichtung gehen …«
»Sei still!«, ermahnte sie die Mutter. »Wir können froh sein, dass wir so glimpflich davongekommen sind. Ich werde noch heute in der Pfarrkirche eine Kerze stiften.«
»Da werde ich dich begleiten, meine Liebe«, erwiderte Anton Neuhof, dem die Erleichterung über die unerwartete Freilassung gleichfalls anzumerken war. Im Stillen hatte er nämlich für sich beschlossen, nicht nur Sankt Bartholomäus, dem Schutzheiligen der Pfarrkirche, sondern auch der Muttergottes und seinem Namenspatron, dem heiligen Antonius, eine Kerze zu spenden. Auf dass er so standhaft gegen das Laster bliebe wie dieser.
In der kurzen, aber deshalb nicht minder schrecklichen Zeit seiner Inhaftierung hatte er dem Schutzpatron geschworen, er werde fortan die Finger vom Glücksspiel lassen, wenn er ihn mit heiler Haut davonkommen ließe. Und mit solchen Schwüren war bekanntlich nicht zu spaßen.
»Geht ihr nur in die Kirche und zündet Kerzen an«, mokierte sich Gertrud. »Ich begebe mich unterdessen ins Kontor und verschaffe mir einen ersten Überblick, denn fortan werde ich die Familiengeschäfte führen.«
»Ach«, seufzte ihr Oheim mit bangem Blick. Gertruds Eröffnung gemahnte ihn daran, wie hoch er bei den Uffsteiners in der Kreide stand.
»Ich erlasse dir deine Schulden, Onkel«, entgegnete Gertrud, die seine Gedanken erraten hatte, mit gönnerhaftem Unterton. »Unter der Bedingung, dass keine neuen mehr hinzukommen. Außerdem wirst du künftig unter meiner Führung für unsere beiden Handelshäuser in Prokura tätig sein. Was ich mir allerdings von dir notariell beglaubigen lasse«, eröffnete sie ihm unverblümt.
Anton Neuhof konnte nur noch stumm nicken und musste unwillkürlich schlucken. Ihn beschlich die leise Ahnung, dass ihm unter Gertruds Kuratel womöglich noch ein schärferer Wind entgegenwehen könnte als bei seinem Schwager – Gott hab ihn selig.
Als Else Schütz um die zehnte Vormittagsstunde ihr Felleisen vor Bernhards Krankenlager abstellte und vorsichtig die Trennwand beiseiteschob, war sie fest entschlossen, Hoffnung und Zuversicht zu vermitteln – was ihr jedoch beim Anblick der Hurenkönigin nicht eben leichtfiel. Die stolze, kämpferische Frau war kaum mehr wiederzuerkennen in ihrem Leid.
»Kopf hoch, meine Liebe, er lebt doch noch!«, brach es aus der Arztwitwe heraus, und sie schloss die Zimmerin, die sie aus gramvollen Augen anblickte, fest in die Arme.
»Er … er hat hohes Fieber und phantasiert die ganze Zeit«, murmelte Ursel mit Blick auf Bernhard, der sich auf seinem Lager unruhig hin und her warf und unartikulierte Laute von sich gab.
»Das ist nicht ungewöhnlich«, entgegnete Frau Schütz beschwichtigend. »Doch gegen das Fieber kann man etwas tun. Deswegen bin ich auch gleich hergekommen, nachdem mein Sohn mir vorhin von dem Unglück erzählt hat.«
»Dafür danke ich Euch«, erwiderte Ursel gerührt, die über den Beistand der alten Dame sehr froh war.
»Ich habe ein altes Hausmittel mitgebracht, das eine entzündungshemmende Wirkung hat«, sagte Frau Schütz und wies die Hurenkönigin an, Bernhards Spitalhemd aufzuknöpfen, damit sie die Wunde auf der Brust behandeln könne. »Ich werde ihm einen neuen Wundverband anlegen, und der wird ihn bestimmt wieder gesund machen.« Die Arztwitwe bedachte Ursel mit einem zuversichtlichen Lächeln.
Währenddessen war auch Doktor Schütz an das Krankenlager getreten.
»Ich habe meiner Mutter gestattet, ihre Wundermedizin zur Anwendung zu bringen«, erklärte er Ursel und rümpfte die Nase. »Sie riecht ganz abscheulich! Die meisten meiner Patienten schreien Zeter und Mordio, wenn ich ihnen damit komme, deswegen verwende ich sie auch kaum noch. Doch zuweilen bewirkt die stinkende Masse eine wundersame Heilung, wenn man sie lange genug einwirken lässt, das habe ich selber schon erlebt.«
Frau Schütz entnahm dem Felleisen ihres verstorbenen Mannes einen breiten Tontiegel, den sie auf den Beistelltisch stellte. Als sie den Deckel hob, breitete sich ein penetranter Gestank aus, der Ursel unwillkürlich die Luft anhalten ließ.
Doktor Schütz verzog angewidert das Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher