Die Hurenkönigin und der Venusorden
in den Laden trat und sich in dem bis unter die Decke mit Stoffballen gefüllten Raum suchend umblickte.
Er trat näher und erkundigte sich mit einer gewissen Geringschätzung in der Stimme nach ihrem Begehr, da erkannte er in der auffallend schönen Frau die junge Dirne wieder, die er mit seinen Gehilfen am Samstag vor acht Tagen für einen feierlichen Empfang aufs feinste ausstaffiert hatte. Sogleich wurde sein Tonfall verbindlicher.
»Darf es vielleicht eine pastellgelbe Seide für ein neues Gewand sein?«, fragte er und wies auf einen glänzenden Stoffballen im oberen Wandregal. »Ich habe wunderbaren Atlas aus Venedig hereinbekommen. Er changiert ein wenig ins Cremefarbene und ist daher nicht gar so grell … Er würde vortrefflich mit dem Kastanienton Eurer Haare korrespondieren.«
Mit einer gebieterischen Geste ihrer zierlichen behandschuhten Hand gebot ihm die Hübscherin sogleich Einhalt. »Ich möchte kein Gelb mehr!«, beschied sie ihn barsch, während ihre Augen über die vielfarbigen Stoffballen streiften.
»Nein?«, entfuhr es Meister Brühl verwundert. »Ich dachte, wo doch für Euer Gewerbe nur diese Farbe in Frage kommt …«
»Eben darum!«, erwiderte die junge Frau hochmütig. »Ich gedenke, nicht mehr als Hübscherin tätig zu sein, und bevorzuge daher eine gesetztere Farbe.« Zielstrebig ging sie auf einen Ballen mit nachtblauem Seidenbrokat zu und befahl dem ehrwürdigen Gewandmeister wie einem Domestiken: »Hol Er mir den Stoffballen herunter und bring Er mir einen Spiegel. Ich möchte sehen, ob mich die Farbe kleidet.«
Brühl, der in seinem Schneiderhandwerk früh gelernt hatte, dass es besser war, sich dem Willen einer schönen Frau zu fügen, gab sich demütig. »Aber gerne, Gnädigste. Ihr habt fürwahr ein Auge für Pretiosen«, säuselte er und befahl seinen Gesellen, den Stoff aus dem Regal zu holen und der Dame einen Spiegel zu reichen.
Allerdings ließ er es sich nicht nehmen, der kapriziösen Schönheit höchstpersönlich eine Stoffbahn über die Schulter zu legen. Dabei verkündete er ehrfürchtig: »Es ist einer der kostbarsten Stoffe, die ich habe. Er stammt aus dem fernen China und kostet ein kleines Vermögen.«
»Darum braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen«, erklärte die Hübscherin kühl und hielt ihm einen Golddukaten unter die Nase.
Brühl hüstelte verlegen. »Er ist wie für Euch gemacht, meine Dame. Aber Ihr könnt Euch auch gerne noch ein wenig umschauen, wenn Ihr wollt. Wir haben auch noch andere herrliche Stoffe da, in lebhafteren Farben vielleicht, denn Ihr seid ja schließlich keine Klosterfrau. Wenn ich daran denke, wie trefflich Euch der rote Samt gekleidet hat! Ihr seid doch noch jung und könnt so etwas tragen …«, näselte er ölig.
»Lasst es gut sein, ich nehme den Seidenbrokat«, unterbrach ihn die junge Frau ungeduldig. »Ihr könnt ihn mir gleich anpassen lassen. Ich lege größten Wert darauf, dass das Gewand morgen fertig ist.« Sie hielt ihm eine weitere Münze hin. »Dafür zahle ich auch entsprechend.«
Als Meister Brühl wenig später gemeinsam mit einem Gehilfen im Nähzimmer Maß an der Kundin nahm und sich bei ihr mit verschämtem Lächeln erkundigte, ob man auch ein paar Teufelsfenster in Ärmel und Ausschnitt einarbeiten solle, entgegnete die Hübscherin hochfahrend: »Auf derlei Firlefanz können wir verzichten. Das Gewand soll schlicht und vornehm aussehen.«
Nachdem sie sich noch für einen Hennin aus rauchgrauem Samt mit gleichfarbigem Schleier entschieden hatte, verabschiedete sie sich mit der Anweisung, Gewand und Haube in den Gasthof »Zum Schwarzen Stern« auf dem Römerberg zu liefern.
»Sehr gerne, gnädige Frau«, erwiderte Meister Brühl devot. »Ihr werdet darin aussehen wie eine Königin!«
Die junge Frau kicherte, ehe sie durch die Tür schritt, und murmelte etwas vor sich hin, was der Gewandmacher nicht verstand.
Genoveva Uffsteiner war guter Dinge, als sie an jenem sonnigen Montagmorgen an der Seite ihrer Tochter und ihres Bruders den Römerberg in Richtung Neue Kräme überquerte. Die unerwartete Ankündigung des Richters, sie und ihre Angehörigen könnten wieder frei ihrer Wege ziehen, und er bitte für die mannigfaltigen Repressalien vielmals um Entschuldigung, hatte sie überrascht. Nun freute sie sich sehr auf das Wiedersehen mit Asta.
Auch Gertrud war in aufgeräumter Stimmung. Die augenscheinliche Zerknirschung, mit der Fauerbach seine Abbitte ausgestoßen hatte, erfüllte sie auch jetzt noch mit
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