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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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Rufus, wir stützen uns gegenseitig, dann wird es schon gehen.«
    Obgleich sich der Greis kaum auf den morschen Gliedern halten konnte, lächelte er tapfer und entgegnete: »So machen wir es, mein Kind.«
    Sie begaben sich in die Küche und nahmen dankbar den Platz auf der Ofenbank ein und die Becher mit heißer Milch an, die ihnen die Küchenmagd anbot.
    »Ich mache mir die schlimmsten Vorwürfe«, sagte der alte Mann zu Ursel, nachdem die Frau den Raum verlassen hatte. Auf ihren erstaunten Blick hin erklärte er ihr, dass ihn gestern Nachmittag ein Schreiben seines Gelehrtenfreundes aus Ulm erreicht habe, den er um Informationen über die Venusschwestern gebeten hatte.
    »Die Auskunft war vernichtend«, sagte er kurzatmig. »In dem Brief stand, dass ein junger Mann im vergangenen Jahr an den Folgen einer Kastration gestorben sei, welche die Frauenhauswirtin Alma Deckinger an ihm vollzogen habe. Es geschah während eines heidnischen Rituals in einem Ulmenhain, der in alten Zeiten den Amazonen als Kultstätte diente. Seither sei die Deckinger flüchtig und werde von der Römischen Kurie als Hexe gesucht. Die Inquisition habe sogar ein Kopfgeld auf sie ausgesetzt und betont, dass ihr die Todesstrafe drohe, sobald man ihrer habhaft werde. Als ich diese Nachricht erhalten hatte, bin ich gleich zu Bernhard geeilt, um ihn zu warnen. Eigentlich wäre es sogar meine Pflicht gewesen, der Polizeibehörde Meldung zu erstatten, doch ich wollte zuerst mit Bernhard sprechen und mich mit ihm beraten. Doch als ich zu seinem Haus kam, sagte mir sein Diener, er sei zu Euch gegangen – und da wollte ich nicht stören. Ich wusste ja, wie sehr Bernhard daran gelegen war, sich mit Euch auszusöhnen. Und jetzt denke ich, dass ich einen großen Fehler gemacht habe, dass ich nicht gleich zur Polizeiwache gegangen bin. Dann hätte man das gefährliche Frauenzimmer gar nicht erst aus dem Kerker gelassen, und Bernhard wäre das Unglück erspart geblieben.« Der alte Mönch seufzte verzweifelt auf.
    Die Hurenkönigin hatte ihm mit wachsender Bestürzung zugehört. »Die größte Schuld trage ich«, erwiderte sie mit brüchiger Stimme. »Dass ich mich derart von Alma habe blenden lassen und nicht erkannt habe, was für eine Bestie sie ist … das werde ich mir nie verzeihen.« Ursel schlug die Hände vors Gesicht.
    Pater Rufus versuchte Ursel zu trösten: »So, wie Ihr für Bernhard einsteht, hat Euch das der Herrgott schon längst verziehen – und Ihr solltet Euch auch vergeben. Wir sind alle nur schwache Geister und leicht zu täuschen …«
    Die Hurenkönigin seufzte vernehmlich und schlug vor, wieder in den Krankensaal zu gehen.
    Dort wurden sie bereits von Doktor Schütz erwartet. »Die Stichwunden auf Brust und Rücken haben sich entzündet. Daher auch das hohe Fieber«, erklärte er besorgt. »Ich habe sie mit einer Heilpaste bestrichen und frisch verbunden. Mehr kann ich momentan nicht für ihn tun. Ich habe Herrn von Wanebach eine Opiumtinktur auf die Zunge geträufelt, gegen die Schmerzen.« Er wies auf einen Wasserkrug und ein Stück Leinen auf dem Beistelltisch. »Es wäre gut, wenn Ihr ihm von Zeit zu Zeit die Zunge und die Lippen befeuchten könntet«, wandte er sich an die Zimmerin. »Sein Mund ist ganz trocken.«
    Ursel nickte und tauchte sogleich das Tuch in den Wasserkrug. Ihr Blick fiel auf Pater Rufus, dessen Gesicht aschfahl geworden war.
    »Ich glaube, es ist besser, wenn Ihr nach Hause geht und Euch hinlegt«, empfahl sie dem bejahrten Geistlichen fürsorglich.
    »Aber ich kann doch jetzt nicht gehen, wo es Bernhard so schlecht geht«, protestierte der alte Mann kopfschüttelnd.
    »Ich halte schon die Stellung«, erklärte Ursel energisch. »Sollte sein Zustand schlimmer werden, lasse ich Euch benachrichtigen. Versucht ein paar Stunden zu schlafen und kommt am Nachmittag wieder.«
    »Ich muss unbedingt noch auf die Polizeiwache und dem Untersuchungsrichter das Schreiben aus Ulm vorlegen. Das mache ich am besten gleich«, erklärte Pater Rufus.
    »Dafür gibt es doch Boten! Schickt jemanden aus dem Kloster zum Leinwandhaus, der dem Richter den Brief aushändigt. Dann habt Ihr Eurer Pflicht Genüge getan.«
    Widerstrebend ließ sich der alte Mönch schließlich überzeugen und entfernte sich mit schleppenden Schritten aus dem Krankensaal.

    Gewandmachermeister Brühl staunte nicht schlecht, als am frühen Vormittag, kaum dass er seine Geschäftsräume mit der angegliederten Nähstube geöffnet hatte, eine junge Hübscherin

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