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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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schmerzverzerrtes Gesicht. Doch schon im nächsten Augenblick ließ eine offenbar plötzlich aufsteigende Panik Bernhards Züge erstarren, und er schien wieder vollends im Fieberwahn zu versinken. Angstvolle Schreie entrangen sich seiner Kehle, und sein Körper bäumte sich unter dem Laken auf, als wollte er sich gegen etwas zur Wehr setzen.
    Mit einem Mal vernahm Ursel klar und deutlich, wie er »Irene« murmelte.
    Die Hurenkönigin war wie vom Donner gerührt. Ihre Hand krampfte sich unwillkürlich um ihre linke Brust, als hätte ein Dolchstoß sie mitten ins Herz getroffen. Ein gequältes Wimmern entrang sich ihr, und sie hatte das Gefühl, ins Bodenlose zu stürzen.

    Das peinliche Verhör von Alma Deckinger, zu dem der Bürgermeister und der gesamte Senat ebenso erschienen waren wie eine Abordnung des Frankfurter Klerus, zog sich ungebührlich in die Länge.
    Es hatte bereits zur fünften Nachmittagsstunde geschlagen, doch die Delinquentin erwies sich selbst unter der verschärften Folter, die Meister Jerg auf Anweisung von Untersuchungsrichter Fauerbach zur Anwendung brachte, nach wie vor verstockt.
    Mit gespreizten Armen und Beinen war die Hübscherin auf die Streckbank gefesselt; ihre Gelenke knirschten vernehmlich, als der Henker die dicken Eisenschrauben noch ein weiteres Stück anzog.
    »Ich habe den Mord an Claus Uffsteiner nicht begangen und den Anschlag auf Bernhard von Wanebach auch nicht!«, stieß sie mit schwacher Stimme aus und wurde ohnmächtig.
    »Jetzt haben wir das Malheur!«, fluchte der Henker ärgerlich und warf dem Richter einen vorwurfsvollen Blick zu. »Ich habe Euch doch vorhin schon gesagt, dass sie es nicht mehr lange macht«, schnaubte er erbost. »Ein stures Luder wie die, aus der werdet Ihr kein Geständnis rauspressen können. Die verreckt uns eher bei der Folter, als dass sie Euch sagt, was Ihr hören wollt.«
    Das Gesicht des Untersuchungsrichters war schweißüberströmt. Auf Wangen und Stirn zeigten sich hektische rote Flecken, und er blickte derart gemartert, als wäre er gleichfalls der Tortur unterzogen worden. Dem jungen Mann setzte sein berufliches Versagen aufs Äußerste zu. Eine schlimmere Demütigung und Schande, wie sie ihm am Vormittag widerfahren war, als der Bürgermeister ihn vor dem versammelten Magistrat abgekanzelt und ihm mitgeteilt hatte, dass man sich nach der Urteilsvollstreckung von ihm trennen werde, hätte er sich in seinen ärgsten Alpträumen nicht ausmalen können. Er zog es bisweilen gar in Erwägung, aus Scham den Freitod zu wählen. Wenn er jemals wieder aus dieser verfluchten Folterkammer hinausgelangen würde!
    »Wir unterbrechen das Verhör und ziehen uns zur Beratung zurück«, riss ihn die Stimme des Bürgermeisters aus den Gedanken. »Sehe Er zu, Angstmann, dass Er sie bis dahin wieder ansprechbar macht.« Mit dieser Anweisung verließ Reichmann im Gefolge des Tribunals den Verhörraum des Brückenturms. Fauerbach schloss sich ihnen als Letzter an.
    Nachdem sich die Herren auf den harten Holzbänken im Aufenthaltsraum der Turmwärter niedergelassen hatten, runzelte der Bürgermeister unwillig die Stirn und bemerkte: »Wir müssen uns was einfallen lassen mit der. Es kann doch nicht angehen, dass wir sie nur wegen der Kastrationsgeschichte aus Ulm zu Tode verurteilen können und die anderen Verbrechen ungesühnt bleiben. Es geht dabei immerhin um Verstümmelung und Mord sowie um einen Mordversuch.« Die Ratsherren und die drei Geistlichen nickten und schwiegen betreten. Der Untersuchungsrichter, der sich abseits hielt wie ein geprügelter Hund, verzichtete wohlweislich auf jeglichen Kommentar.
    »Mir kommt da ein Gedanke«, durchbrach plötzlich Pfarrer Simon Roddach das angespannte Schweigen. Aufmerksam lauschte das gesamte Straftribunal dem drahtigen kleinen Priester der Sankt Leonhardskirche, zu dessen Sprengel auch das städtische Frauenhaus gehörte. Roddach galt als verknöcherter Moralwächter, er machte keinen Hehl daraus, dass ihm das Sündenbabel am Dempelbrunnen ein Dorn im Auge war und dass er es am liebsten geschlossen sehen würde.
    »Ich denke, es ist an der Zeit, unserem Herrgott im Himmel die Rechtsprechung zu überlassen. In diesem verzwickten Fall kann nur noch sein weises Urteil allein den Sieg der Gerechtigkeit garantieren …«, deklamierte er im salbungsvollen Tonfall des Kanzelredners.
    »Ihr sprecht von einem Gottesurteil?«, meldete sich der studierte Jurist Johann Fichard zu Wort und musterte den Kleriker erstaunt.

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