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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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»Dieses Verfahren stammt noch aus der Zeit Karls des Großen und wird von der weltlichen Gesetzgebung seit Jahrhunderten nicht mehr angewendet«, bemerkte er mit spöttisch erhobenen Brauen. »Es sei denn, im Rahmen der Ketzerverfolgung. Aber auch das nur in Ausnahmefällen …«
    »Und mit einem solchen Fall haben wir es hier zu tun. Was dieser Weiberbund in Ulm getrieben hat, ist schlimmstes Hexenwerk!«, ereiferte sich der Geistliche. »Weswegen es ja auch in der Angelegenheit vonnöten ist, die Geistlichkeit mit einzubeziehen.« Roddach fixierte den Bürgermeister und die Ratsherren mit unbarmherzigem Blick und betonte: »Das Gottesurteil ist oftmals der letzte Ausweg, die Wahrheit zu finden! Welche Möglichkeiten haben wir denn sonst noch?«
    »An was für ein Ordal habt Ihr denn gedacht?«, erkundigte sich der Bürgermeister vorsichtig.
    »Nun, in der Hexenverfolgung gelangt häufig die Wasserprobe zur Anwendung«, erwiderte der Pfarrer.
    »Ihr meint, dass man sie mit gebundenen Armen und Beinen in den Main wirft, und wenn sie oben schwimmt und nicht untergeht, ist sie schuldig?«, fragte Fichard skeptisch.
    Die kleinen, tiefliegenden Augen des Geistlichen funkelten tückisch. »Nein, nein«, erklärte er. »Ich habe da eine viel bessere Idee. Die Wasserprobe mit kochendem Wasser scheint mir in unserem Fall besser geeignet.« Als er die begriffsstutzigen Mienen der Stadtoberen bemerkte, fügte der Priester erläuternd hinzu: »Die Angeklagte muss einen Gegenstand – zumeist eine Münze oder einen Ring – aus einem Kessel mit kochendem Wasser holen. Danach werden ihre Brandwunden verbunden. Wenn sie nach zwei oder drei Tagen anfangen zu heilen, gilt die Delinquentin als unschuldig, wenn sie sich entzündet haben und eitern, ist das ein untrügliches Zeichen ihrer Schuld.« Ein listiges Lächeln umspielte den schmallippigen Mund des Geistlichen. »Trägt sie nicht so ein lästerliches Amulett um den Hals, die Hexe aus Ulm? Das hätte man ihr für mein Dafürhalten ohnehin schon längst herunterreißen müssen, dieses Teufelskettchen …«
    Sein Fanatismus schien auf die übrigen Herren abzufärben. Von allen Seiten war zustimmendes Gemurmel zu vernehmen, und selbst der Bürgermeister schien überzeugt zu sein.
    »Warum nicht!«, sagte er und befahl sogleich einem Gefängnisbüttel, dem Henker auszurichten, er solle kochendes Wasser zubereiten.

    Alma erwachte erst aus ihrer Ohnmacht, als Meister Jerg ihr den zweiten Bottich mit kaltem Mainwasser ins Gesicht schüttete. Ihre auf den Rücken gebundenen Arme ließen es nicht zu, dass sie sich das Wasser aus den Augen rieb oder das klatschnasse Haar aus dem Gesicht strich. Doch sie wäre wohl auch ohne Fesseln nicht dazu in der Lage gewesen, so höllisch schmerzten ihre Glieder und Gelenke, die von der Streckbank allesamt überdehnt und teilweise ausgerenkt waren.
    Sie fühlte sich mehr tot als lebendig. Einzig der Wille, vor ihren Feinden nicht zu kapitulieren, hielt sie noch am Leben, das längst nichts anderes mehr war als eine nicht enden wollende Qual.
    Große Mutter, steh mir bei , flehte sie im Stillen, als ihr Blick auf den gewölbten Kupferkessel über der Feuerstelle fiel, in dem vernehmlich etwas brodelte. Was haben sich diese Teufel denn jetzt wieder ersonnen?
    Mit einem festen Griff packte sie der Henker an den zusammengebundenen Handgelenken und schleifte sie in die Gewölbeecke mit der Feuerstelle. Alma entrang sich ein durchdringender Schmerzensschrei – was die dunkelgewandeten Herren hinter dem langgezogenen Tisch, wie sich ihren Mienen unschwer entnehmen ließ, mit Genugtuung erfüllte. Nur der junge Untersuchungsrichter, der neben der Feuerstelle stand und irgendwie verloren wirkte, senkte betreten den Kopf.
    Einer der Priester, die Alma in ihrem schwarzen Ornat wie Unglücksraben vorkamen, gestikulierte hektisch und schien sich vor Eifer kaum noch halten zu können. Unvermittelt sprang er auf und eilte auf sie zu. Eh sie sich versah, hatte er ihren Talisman, die goldene Mondsichel, die Alma an einem Goldkettchen um den Hals trug, gepackt, riss ihn mit einem heftigen Ruck herunter und warf ihn in den Wasserkessel. Der Anhänger war das Kostbarste, was Alma besaß. Die Miniaturnachbildung der Amazonenwaffe war viele hundert Jahre alt und wurde in ihrer Familie von der Mutter an die Tochter weitergegeben. Auch sie würde das Amulett dereinst an Irene vererben, die es nach ihrem Tod tragen sollte.
    Trotz der quälenden Schmerzen war Alma über

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