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Die Hurenkönigin und der Venusorden

Die Hurenkönigin und der Venusorden

Titel: Die Hurenkönigin und der Venusorden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Neeb
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auf die Atemzüge. »Sein Atem ist zwar immer noch sehr flach, aber schon bedeutend ruhiger geworden.« Dann sah er die schlafende Hurenkönigin an, die gleichfalls zu lächeln schien. »Offenbar beruhigt ihn die körperliche Nähe seiner Gefährtin«, bemerkte er versonnen. »Sie tut ihm gut.«
    Der alte Dominikaner nickte nachdenklich. »Es widerstrebt mir jedenfalls, die beiden zu stören.« Ein Anflug von Hoffnung zeigte sich in seinen alterstrüben Augen. »Vielleicht wird der Junge ja doch wieder gesund«, bemerkte er mit gesenkter Stimme und bekreuzigte sich. Er faltete die Hände und erklärte schlicht: »Ich werde für ihn beten.«
    Doktor Schütz fühlte behutsam Bernhards Puls, und seine Miene wurde sehr ernst. »Das kann er auch gut gebrauchen, denn da ist kaum noch etwas zu ertasten. Sein Herz schafft es nicht mehr. Das hohe Fieber und das viele Blut, das er verloren hat – Ihr solltet mit der Letzten Ölung nicht mehr allzu lange warten, sonst verstirbt er noch, ohne den Segen der Kirche erhalten zu haben …«
    Unvermittelt riss Ursel die Augen auf und erklärte im Brustton der Überzeugung: »Bernhard wird nicht sterben!«
    Der alte Mönch reichte der Hurenkönigin freundlich die Hand. »Recht so, mein Kind, die Hoffnung stirbt zuletzt«, bekräftigte er.
    »Gut, dass Ihr da seid, Pater Rufus, und für Bernhard betet.« Die Hurenkönigin blickte Bernhards Oheim dankbar an.
    Rufus wischte sich die Tränen aus den Augenwinkeln. »Ich würde mein Leben geben für den Jungen …«
    »Dann lasst uns gemeinsam für ihn beten«, schlug Ursel vor. »Das hilft ihm bestimmt mehr als die Letzte Ölung. Mir kommt dieses Ritual ohnehin so vor, als würde man einem Entschwindenden auch noch die Tür aufstoßen, anstatt ihn zurückzuhalten.«
    »Wenn das so einfach wäre«, wand Doktor Schütz mit skeptischer Miene ein. »Der Tod lässt sich nicht aufhalten.«
    »Wer könnte sich schon anmaßen, gegen den Tod zu kämpfen?«, entgegnete Ursel. »Je schwächer der Sterbende, desto mächtiger wird er. Nein, das Lebenslicht muss gestärkt werden. Das ist es, worauf es ankommt. Man darf es nicht ausgehen lassen, muss mit unablässiger Ausdauer in den Zunder blasen. Das Flämmchen muss gehätschelt werden wie ein wertvoller Schatz …«
    Doktor Schütz musterte sie beeindruckt. »Wie weise Ihr seid, Zimmerin«, äußerte er und verabschiedete sich. »Bei Tagesanbruch beginnt mein Dienst. Mir bleiben gerade einmal zwei Stunden, um mich ein wenig auszuruhen.«
    »Schlaft wohl, Herr Doktor«, rief ihm die Hurenkönigin nach. »Und vielen Dank, dass Ihr Bernhard so gut versorgt habt.«
    Als er weg war, schmiegte sie sich wieder an Bernhard und fing an, ebenso wie der alte Mönch, in stiller Versenkung für seine Genesung zu beten.
    Es wurde bereits hell, als Ursel die Augen öffnete. Jegliches Zeitgefühl war ihr abhandengekommen. Ihr Blick fiel sogleich auf Bernhard, der an ihrer Seite tief und fest zu schlafen schien.
    »Er schläft ganz ruhig«, vernahm sie die leise Stimme von Pater Rufus, der immer noch auf dem Schemel saß und einen Rosenkranz in den gichtigen Händen hielt.
    Gleich darauf wurde der Wandschirm beiseitegeschoben, und der Doktor trat in Begleitung einer Spitalmagd an das Krankenlager. Nach einem prüfenden Blick auf den Patienten sagte er: »Er hat die Nacht überstanden – was an ein Wunder grenzt. Ich kann nur hoffen, dass sein Zustand sich weiterhin stabilisiert. Die Lage ist indessen nicht mehr aussichtslos …«
    »Dem Himmel sei Dank!«, stieß die Hurenkönigin hervor und streichelte liebevoll Bernhards Wange.
    »Freut Euch nicht zu früh, Zimmerin«, dämpfte der Arzt ihre Euphorie. »Sein Zustand ist nach wie vor sehr kritisch, und er ist noch lange nicht überm Berg. Aber es besteht Hoffnung. – Und nun muss ich die Herrschaften leider bitten, Euch ein wenig die Beine zu vertreten. Wir müssen nämlich seine Wunden neu versorgen, und ein frisches Laken kann er auch gebrauchen. Lasst Euch von der Küchenmamsell eine heiße Milch geben und geht ein bisschen an die frische Luft, das wird Euch guttun. Eine halbe Stunde werden wir schon brauchen …«
    Unwillig erhob sich Ursel von Bernhards Seite, es bereitete ihr großes Unbehagen, ihn alleinzulassen. Als sie mühsam ihre Beine über den Bettrand schwang, merkte sie, wie ihr schwarz vor Augen wurde. Sie atmete tief durch und richtete sich auf.
    Während sie dem alten Mann beim Aufstehen behilflich war, sagte sie aufmunternd: »Kommt, Pater

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