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Die Hyäne

Die Hyäne

Titel: Die Hyäne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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spürte, wie seine Hände zitterten.
    Carrie saß ihm unbeweglich gegenüber. Sie schien stärker zu sein als er, denn sie hatte den Kopf so gedreht, daß ihr Blick genau auf die offene Küchentür fiel.
    Die nächste Stufe.
    Die Geräusche wurden lauter. Er mußte schon ziemlich weit oben sein und die Linkskurve der Treppe bereits hinter sich gelassen haben.
    Wieder eine Stufe.
    Zumindest dem Mann kam es vor, als wäre es die letzte gewesen. Das Echo hatte sich einfach anders angehört. Als er seine Frau anschaute, da nickte Carrie. Sie war derselben Meinung, und beide hörten ihn näher kommen.
    Nicht mehr auf der Treppe. Er war bereits im Flur. Er kam aus dem Dunkel, wie es sich für eine derartige Monstergestalt gehörte, die das Licht scheute. Er war in der Diele, ging weiter, und die Füße schleiften über den Boden. Auf den Holzbohlen war es deutlich zu hören. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, dann war er da.
    Collin kam.
    Er schob sich um die Ecke, ging noch einen weiteren Schritt nach vorn und blieb in der offenen Tür stehen…
    ***
    Carrie und ihr Mann starrten dieses Zerrbild des Schreckens an. Was sie sahen, ließ sie innerlich vereisen. Das war kein Mensch mehr, das war ein Monster, eine Mutation! Der zur Gestalt gewordene Schrecken, etwas Unaussprechliches und Unheimliches. Die perverse Abart menschlichen Lebens.
    Sie waren kaum fähig, Atem zu holen, denn zum erstenmal sahen sie ihren veränderten Sohn aus dieser unmittelbaren Nähe. Beide gingen davon aus, daß es sich bei dieser Gestalt um ihren Sohn handelte, auch wenn er äußerlich nicht als Collin zu erkennen war.
    Der Körper war nicht zu sehen. Ein dunkles, bis zu den Füßen reichendes Cape, das an seinem oberen Ende sogar um den Hals geschlungen war, verhüllte ihn.
    Darüber war der Kopf zu sehen.
    Nein, kein Kopf mehr. Das war ein Schädel. Zu groß für den Körper.
    Abstoßend und widerlich. Ein kompaktes Knochengebilde in der Form eines Raubtierschädels, der durchaus zu einer Hyäne gepaßt hätte. Nur war er noch größer, zumindest im Vergleich zu Collins Körper.
    Es klebten weder Fleisch- noch Hautfetzen auf diesem Kopf. Er bestand einzig und allein aus Knochen, aber er war dabei lückenlos in seinem Zusammenbau.
    Bis auf zwei Öffnungen.
    Sie wurden von den Augen ausgefüllt, die sich dort abmalten, wo die lang nach vorn gezogene Schnauze begann. Sie stand etwas offen, so daß die gelben Zähne zu erkennen waren.
    Die Augen sahen aus wie geschliffene Diamanten. In ihnen vermischten sich zwei Farben: Gelb und Grün. Der Blick wirkte wie geschliffen. Er war in das Zimmer gerichtet. Keiner der de Bakers wurde direkt angeschaut.
    Dennoch fühlten sich beide unter Kontrolle. Da starrte ein Auge Carrie an, und das zweite war auf Mel gerichtet.
    Unter dem Maul lief das Kinn spitz zu. Außerdem saß der Schädel etwas schief auf dem Körper. Das fiel nur am Rande auf. Wichtig war die gesamte Erscheinung, die all den Schrecken der Welt in sich zu vereinigen schien.
    Die Hände der Gestalt waren unter dem Stoff des Capes verschwunden.
    Aber er würde welche haben. Vielleicht auch Totenkrallen oder Tatzen.
    Das Monstrum ließ den beiden Zeit. Es stand da wie bei einem Fotografen, der um diese Pose gebeten hatte. Nichts war zu hören. Aus dem Maul drang kein Dampf, und aus den kantigen Nasenlöchern wehte ihnen kein Schnaufen entgegen.
    Sie taten nichts. Beide atmeten nur. Und der Geruch in der Küche war ebenfalls ein anderer geworden. Das Monstrum hatte ihn mitgebracht. Er hing in den Knochen fest, in der alten Kleidung ebenfalls, und er roch nach Friedhof und Verwesung.
    Carrie fing sich als erste. Ich bin die Mutter! Dachte sie. Ich bin die Mutter. Ich habe ein Recht zu fragen. Ich werde es auch tun. Sie benötigte noch den letzten Schub, um sich überwinden zu können.
    Dann floß es aus ihrem Mund. Es klappte besser, als sie es sich vorgestellt hatte.
    »Bist du Collin?«
    Die Gestalt schwieg.
    Damit wollte sich Carrie nicht zufriedengeben. Noch einmal fragte sie nach. »Bist du Collin? Bist du unser Sohn, den wir vor sechs, Monaten begraben haben?«
    Zum erstenmal bewegte er sich. Er drehte den Kopf, um sich umzuschauen. Er schien in der Küche etwas Bestimmtes zu suchen.
    Für Carrie war es Antwort genug. Sie flüsterte ihrem Mann zu: »Er ist es, Mel. Es ist unser Sohn. Ich spüre das, hörst du? Ich, die Mutter. Ich habe ihn geboren.«
    Mel war nicht fähig, eine Antwort zu geben. Durch ein Nicken stimmte er seiner Frau

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