Die Hyäne
mag er jetzt sein?« fragte sie.
Mel war von der Frage überrascht worden. Er konnte keine Antwort geben.
»Was sagst du, Mel?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Ob er allein hat gehen können?«
»Unsinn, Carrie, er ist tot! Tote können nicht mehr laufen. Oder hast du das schon mal gesehen?«
»Hör auf!«
»Hast recht, Carrie, ich höre auf.« Er beugte sich ihr entgegen, umfaßte ihren Arm und zog sie in die Höhe.
»Es hat keinen Sinn mehr, Carrie, wenn wir noch länger hier auf dem Friedhof bleiben. Wir können zu Hause reden.«
Carrie drehte sich so heftig, daß sie seinen Griff löste. »Und wie geht es jetzt weiter? Was sollen wir machen?«
»Ich habe noch keine Ahnung.«
»Wir müssen die Polizei alarmieren, Mel. Ja«, sie nickte heftig. »So etwas muß gemeldet werden. Grabschändung ist ein Vergehen. Das wird bestraft.«
»Was sollen wir denen sagen?«
»Uns wird schon etwas einfallen.«
»Aber meinen Traum erzähle ich nicht. Die erklären mich sonst für verrückt oder gehen davon aus, daß wir die Sache erst in die Wege geleitet haben, um uns wichtig zu machen.«
Carrie hatte ihren Mann nicht unterbrochen und während seiner Worte nur nach vorn geschaut. Sie tat auch nichts, als er sich wegdrehte, um die Geräte zu holen, aber der Schock raste plötzlich durch ihr Herz, als sie etwas sah.
Nicht mal weit entfernt. In einer Schattenschneise zwischen zwei Büschen.
Dort leuchtete etwas.
Augen, gelbe Augen!
Nein, das konnten nicht die Augen eines Menschen sein. Das waren die Augen eines Raubtiers, das sich aufgerichtet haben mußte und jetzt auf den Hinterläufen stand. Hatte Mel nicht von den gelben Augen dieser Hyäne gesprochen?
Ja, das stimmte.
Und jetzt sah Carrie sie selbst. Es gab ihn. Er war aus dem Grab gestiegen und irrte über den Friedhof. Sie schrie!
Mel de Baker hatte nach dem Werkzeug greifen wollen, als er den Schrei seiner Frau hörte. Er erreichte ihn wie der Klang einer Sirene und alarmierte ihn auch so.
Er schleuderte den Spaten und die Schaufel weg, behielt die Hacke aber in der Hand und fuhr herum.
Carrie schrie nicht mehr. Dafür stand sie wie festgenagelt auf dem Fleck und starrte in eine bestimmte Richtung, als gäbe es dort etwas Schreckliches zu sehen.
Auch de Baker schaute dorthin.
Er konnte nicht anders. Sein Kopf drehte sich, als hinge er an einem Band, das von einer fremden Person gezogen wurde. Dabei ging er vor, stapfte durch den weichen Boden, den Blick aber hielt er auch weiterhin auf das Ziel gerichtet, das einfach zu groß und auch zu dunkel für ihn war, um etwas Genaues erkennen zu können.
War dort wirklich nichts?
Doch, er sah es. Da hatte Melvin seine Frau bereits überholt. Zwei gelbe Punkte, aber nicht völlig rund, sogar geschlitzt, als wäre die Finsternis dort aufgeschnitten worden.
Die Hyäne – der Kopf!
Mel ging schneller. Er hatte überhaupt keine Zeit, um Angst zu verspüren. Außerdem trug er eine Waffe bei sich. Die Spitzhacke war gefährlich genug. Er schwang sie jetzt über den Kopf und war bereit, jeden Augenblick zuzuschlagen.
Zwischen ihm und dem Ziel lagen noch einige Gräber. Auf sie konnte Mel keine Rücksicht nehmen. Er trampelte über sie hinweg, hörte seinen keuchenden Atem, und das Herz schlug immer schneller. Ohne es zu wollen, flüsterte er stets den Namen seines Sohnes vor sich hin, und das mit bibbernder Stimme.
Die Augen blieben. Sie starrten ihm entgegen, als warteten sie nur auf ihn.
De Baker streifte einen hohen Grabstein und hatte Glück, nicht frontal dagegen geprallt zu sein. So waren die Schmerzen zu ertragen.
»Collin…«
Er hatte den Namen so laut gerufen, daß der hinter dem Gebüsch Versteckte ihn hören mußte.
Mel erlebte eine Reaktion. Nur anders, als er sie sich vorgestellt hatte.
Plötzlich zuckten die Augen zur Seite. Es war eine superschnelle, huschende Bewegung, und das Gelb ging ineinander über wie bei einem flüchtigen Pinselstrich.
Dann waren die Augen weg.
Er hörte noch ein hartes Knacken, als Zweige brachen. Auch tappende, sich schnell entfernende Schritte, und seine Arme mit der Spitzhacke sanken nach unten. Es war eine typische, schon deprimierende Bewegung gewesen. Die blanke Spitze bohrte sich in den weichen Boden.
Mel ließ das Gerät los. Er starrte nach vorn. Da war nichts mehr. Keine Augen. Nichts. Aber ich habe mich nicht getäuscht, dachte er. »Ich habe sie gesehen«, flüsterte er, um sich selbst zu bestätigen.
»Ja, du hast sie gesehen.«
De Baker zog den
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