Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
angenehmes Lachen, ungezwungen und heiter. »Vielleicht. Ich kenne den Zweck und die Funktion nicht genau. Es ist ... ein Analogen.«
»Ein Analogon.« Ich blinzelte in die rote, untergehende Sonne, die in einer schmalen Nebenstraße zu sehen war. »Sieht wie auf den Holos der Alten Erde aus, die ich gesehen habe. Es scheint richtig zu sein, auch wenn ich noch nie hier gewesen bin.«
»Es ist sehr akkurat.«
»Wo ist es? Ich meine, welcher Stern?«
»Ich kenne die Nummer nicht«, sagte Johnny. »Er liegt im Herkules-Cluster.«
Es gelang mir, nicht zu wiederholen, was er gesagt hatte, aber ich blieb stehen und setzte mich auf eine der Stufen. Mit dem Hawking-Antrieb hatte die Menschheit Welten in Entfernungen von vielen Lichtjahren erforscht, kolonisiert und mit Farcastern verbunden. Aber niemand hatte je versucht, die Sonnen im explodierenden Kern zu erreichen. Wir hatten kaum die Krippe unseres Spiralarms verlassen. Der Herkules-Cluster.
»Warum hat TechnoCore eine Nachbildung von Rom im Herkules-Cluster geschaffen?« fragte ich.
Johnny setzte sich neben mich. Wir sahen beide auf, als ein Taubenschwarm explosionsartig in die Luft stob und über den Dächern verschwand. »Ich weiß nicht, M. Lamia. Ich habe vieles noch nicht gelernt ... was zumindest teilweise daran liegt, daß es mich bisher noch nicht interessiert hat.«
»Brawne«, sagte ich.
»Bitte?«
»Nennen Sie mich Brawne.«
Johnny lächelte und neigte den Kopf. »Danke, Brawne. Aber noch etwas. Ich glaube nicht, daß es sich nur um eine Nachbildung der Stadt Rom allein handelt. Es handelt sich um die ganze Alte Erde.«
Ich legte beide Hände auf den von der Sonne gewärmten Stein der Stufe, auf der ich saß. »Der ganzen Alten Erde? Alle Kontinente ... Städte?«
»Ich glaube ja. Ich habe lediglich die Schiffsreise zwischen England und Italien hinter mich gebracht, aber ich glaube, das Analogon ist vollständig.«
»Warum, um Gottes willen?«
Johnny nickte bedächtig. »Das könnte durchaus der Fall sein. Warum gehen wir nicht nach drinnen und essen etwas und unterhalten uns weiter darüber? Es könnte damit zusammenhängen, wer versucht hat, mich zu töten, und warum.«
›Drinnen‹ war ein Apartment in einem großen Haus am Fuß der Marmortreppe. Von den Fenstern konnte man über die ›piazza‹ sehen, wie Johnny sie nannte; am oberen Ende der Treppe sah ich eine große, braungelbe Kirche und unten auf dem Platz einen schiffsförmigen Springbrunnen, wo Wasser in der abendlichen Stille plätscherte. Johnny sagte, der Brunnen wäre von Bernini entworfen worden, aber der Name sagte mir nichts.
Die Zimmer waren klein, aber mit hohen Decken, die derben, aber reichhaltigen geschnitzten Möbelstücke gehörten einer Epoche an, die ich nicht kannte. Von Elektrizität oder modernen Geräten war nichts zu spüren. Das Haus reagierte nicht, als ich es vor der Tür und dann noch einmal in der Wohnung oben ansprach. Als sich die Dämmerung über den Platz und die Stadt vor den hohen Fenstern senkte, kam das einzige Licht von Straßenlaternen mit Gas oder einem noch primitiveren Brennstoff.
»Dies stammt aus der Vergangenheit der Alten Erde«, sagte ich und berührte die dicken Kissen. Ich hob den Kopf, als ich plötzlich verstand. »Keats ist in Italien gestorben. Anfang des ... neunzehnten oder zwanzigsten Jahrhunderts. Da ... sind wir.«
»Ja. Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. 1821, um präzise zu sein.«
»Ist diese ganze Welt ein Museum?«
»O nein. Andere Gegenden sind anderen Zeitaltern gewidmet. Das kommt auf das angestrebte Analogon an.«
»Das verstehe ich nicht.« Wir hatten ein Zimmer mit klobigen Möbeln betreten, wo ich mich auf eine seltsam geschnitzte Couch beim Fenster setzte. Ein Film goldenen Abendlichts überzog noch den Turm der Kirche oben an der Treppe. Weiße Tauben flatterten vor dem blauen Himmel. »Leben Millionen Menschen ... Cybrids ... auf dieser nachgemachten Alten Erde?«
»Das glaube ich nicht«, antwortete Johnny. »Nur die Anzahl, die für das spezielle Analogprojekt benötigt wird.« Er sah, daß ich immer noch nicht begriff, und holte Luft, bevor er weitersprach. »Als ich ... hier erwachte, waren Cybridanaloge von Joseph Severn, Dr. Clark, der Vermieterin Anna Angeletti, des jungen Leutnants Elton und einige andere anwesend. Italienische Ladenbesitzer, der Inhaber der Trattoria gegenüber der Piazza, der uns das Essen zu bringen pflegte, Passanten, und so weiter. Nicht mehr als zwanzig, im höchsten
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