Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
Lebwohl, Edouard. Ich bezweifle, daß Du noch am Leben bist, und solltest Du es sein, sehe ich keinen Weg, wie wir beide wieder vereint sein können, sind wir doch nicht nur von Jahren und Weiten getrennt, sondern auch durch eine viel breitere Kluft in Form eines Kreuzes. Meine Hoffnung, Dich wiederzusehen, gilt nicht diesem Leben, sondern dem nächsten. Seltsam, mich so reden zu hören, oder nicht? Ich muß Dir sagen, Edouard, nach vielen Jahrzehnten der Unsicherheit und trotz der großen Angst vor dem, was vor mir liegt, haben mein Herz und meine Seele dennoch Frieden gefunden.
O Du mein Gott
Ich bereue von Herzen, daß ich Dich geschmäht habe,
Und verabscheue alle meine Sünden
Wegen des Verlustes des Himmelreichs
Und der Qualen der Hölle,
Aber am meisten, weil ich Dich geschmäht habe,
Mein Gott,
Der Du gut bist
Und all meine Liebe verdienst.
Ich bin fest entschlossen, mit Deiner Barmherzigkeit
meine Sünden zu beichten, Buße zu tun
Und mein Leben zu bessern.
Amen.
24.00 Uhr:
Das Licht des Sonnenuntergangs scheint durch das offene Fenster der Kapelle und taucht den Altar, den grob geschnitzten Abendmahlskelch und mich selbst in Helligkeit. Der Wind von der Kluft schwillt zum letzten Chor an, den ich – mit Glück und Gottes Gnade – je hören werde.
»Das ist der letzte Eintrag«, sagte Lenar Hoyt.
Als der Priester zu lesen aufhörte, hoben die sechs Pilger am Tisch die Köpfe und sahen ihn an, als würden sie aus einem gemeinsamen Traum erwachen. Der Konsul sah nach oben und stellte fest, daß Hyperion jetzt viel näher war, ein Drittel des Himmels einnahm und die Sterne mit seinem kalten Glanz verdrängte.
»Ich traf zehn Wochen nachdem ich Pater Duré zum letzten Mal gesehen hatte, ein«, fuhr Pater Hoyt fort. Seine Stimme war heiser und krächzend. »Auf Hyperion waren mehr als acht Jahre vergangen ... sieben seit dem letzten Eintrag in Pater Durés Tagebuch.« Der Priester litt jetzt sichtlich Schmerzen, sein Gesicht war blaß und leuchtete kränklich und war von einem Schweißfilm überzogen.
»Innerhalb von vier Wochen gelangte ich zur Perecebo Plantage, die von Port Romance aus flußaufwärts gelegen ist«, fuhr er fort und bemühte sich, mit kräftigerer Stimme zu sprechen. »Ich vermutete, daß die Fiberplastikanbauer mir die Wahrheit sagen würden, auch wenn sie nichts mit dem Konsulat oder dem Heimat-Regierungsrat zu tun haben wollten. Ich hatte recht. Der Verwalter von Perecebo, ein Mann namens Orlandi, konnte sich an Pater Duré erinnern, ebenso seine neue Gemahlin, die Frau namens Semfa, die Pater Duré in seinen Tagebüchern erwähnt. Der Plantagenverwalter hatte versucht, verschiedene Rettungsexpeditionen zum Plateau zu schicken, aber eine beispiellose, noch nie dagewesene Zeit der Aktivität der Flammenwälder zwang sie, die Versuche aufzugeben. Nach einigen Jahren hatten sie die Hoffnung aufgegeben, daß Duré oder ihr Arbeiter Tuk noch am Leben sein könnten.
Dennoch trieb Orlandi zwei erfahrene Buschpiloten auf, die mit zwei Gleitern der Plantage als Rettungsexpedition zur Kluft fliegen sollten. Wir blieben so lange wir konnten in der Kluft selbst und verließen uns darauf, daß die Instrumente und das Glück uns zum Land der Bikura bringen würden. Obwohl wir auf diese Weise den größten Teil der Flammenwälder umgehen konnten, verloren wir einen Gleiter und vier Menschen durch Teslaaktivität.«
Pater Hoyt verstummte und wankte leicht. Er hielt sich an der Tischkante fest, um sich zu stützen, räusperte sich und sagte: »Es bleibt wenig zu erzählen. Wir haben das Dorf der Bikura gefunden. Es waren siebzig, und jeder einzelne war so dumm und mundfaul, wie Durés Aufzeichnungen andeuteten. Es gelang mir, die Bestätigung von ihnen zu bekommen, daß Pater Duré gestorben war, als er den Flammenwald durchqueren wollte. Die Asbesttasche hatte überlebt, darin fanden wir seine Tagebücher und medizinischen Unterlagen.« Hoyt sah die anderen einen Moment an, dann senkte er den Blick. »Wir haben sie überredet, uns zu zeigen, wo Pater Duré gestorben ist«, sagte er. »Sie ... äh ... sie hatten ihn nicht begraben. Seine sterblichen Überreste waren schlimm verbrannt und verwest, zeigten uns aber, daß die Intensität der Teslaentladungen die ... die Kruziform und seinen Körper zerstört hatten.
Pater Duré war den wahren Tod gestorben. Wir brachten seine sterblichen Überreste zur Perecebo Plantage, wo er nach einer Totenmesse begraben wurde.« Hoyt holte
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