Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
chirurgischer Eingriff oder eine Behandlung mich von diesem Ding befreien kann, das mich befallen hat, aber wenn es jemand trennen und studieren und vernichten kann, sei es auch um den Preis meines Lebens, werde ich zufrieden sein.
    Die Flammenwälder werden nicht mehr ruhiger werden als jetzt. Zu Bett. Ich breche vor Dämmerung auf.
     
    Tag 215:
    Es gibt keinen Weg hinaus.
    Vierzehn Kilometer in den Wald eingedrungen. Vereinzelte Feuer und elektrische Entladungen, aber passierbar. Ein Fußmarsch von drei Wochen, und ich wäre durch gewesen.
    Die Kruziform läßt mich nicht gehen.
    Die Schmerzen waren wie ein Herzanfall, der nicht aufhört. Dennoch taumelte ich weiter und stolperte und kroch durch die Asche. Schließlich verlor ich das Bewußtsein. Als ich aufwachte, kroch ich zur Kluft. Ich drehte mich um, ging einen Kilometer, kroch fünfzig Meter, verlor wieder das Bewußtsein und kam dort zu mir, wo ich angefangen hatte. Den ganzen Tag dauerte dieser wahnsinnige Kampf um meinen Körper an.
    Vor Sonnenuntergang kamen die Bikura in den Wald, fanden mich fünf Kilometer von der Kluft entfernt und trugen mich zurück.
    Lieber Gott, wie konntest du das zulassen?
    Jetzt gibt es keine Hoffnung mehr, wenn nicht jemand nach mir suchen kommt.
     
    Tag 223:
    Wieder ein Versuch. Wieder Schmerzen. Wieder gescheitert.
     
    Tag 257:
    Ich werde heute achtundsechzig Standardjahre alt. Ich arbeite weiter an der Kapelle, die ich in der Nähe der Kluft baue. Habe gestern versucht, zum Fluß hinunterzusteigen, wurde aber von Beta und vier anderen zurückgeholt.
     
    Tag 280:
    Ein hiesiges Jahr auf Hyperion. Ein Jahr im Fegefeuer. Oder ist es die Hölle?
     
    Tag 311:
    Habe heute Steine aus den Felswänden unter dem Sims gebrochen, wo die Kapelle stehen wird und eine Entdeckung gemacht: die Ableiterpflöcke. Die Bikura müssen sie über den Rand geworfen haben, als sie Tuk in der Nacht vor zweihundertdreiundzwanzig Tagen ermordet haben.
    Diese Pflöcke würden mir ermöglichen, jederzeit den Flammenwald zu durchqueren, wenn die Kruziform es zulassen würde. Aber das duldet sie nicht. Wenn sie nur meine Reiseapotheke mit den Schmerzmitteln nicht vernichtet hätten! Trotz allem, als ich heute dort saß und die Pflöcke in Händen hielt, ist mir eine Idee gekommen.
    Meine behelfsmäßigen Experimente mit dem Medscanner habe ich fortgesetzt. Als sich Theta vor drei Wochen das Bein an drei Stellen gebrochen hat, habe ich die Reaktion der Kruziform beobachtet. Der Parasit gab sich größte Mühe, die Schmerzen abzuhalten; Theta war fast die ganze Zeit bewußtlos, und sein Körper hat Unmengen Endorphine produziert. Aber der Bruch war äußerst schmerzhaft, und so haben die Bikura Theta nach vier Tagen die Kehle durchgeschnitten und die Leiche in die Basilika getragen. Es war leichter für die Kruziform, den Leichnam wiederzuerwecken, als über einen längeren Zeitraum hinweg solche Schmerzen zu erdulden. Aber vor seiner Ermordung zeigte mir der Scanner einen deutlichen Rückgang der Kruziformnematoden aus verschiedenen Teilen des zentralen Nervensystems.
    Ich weiß nicht, ob es möglich ist, sich selbst ein Ausmaß nicht tödlicher Schmerzen zuzufügen – oder sie zu erdulden –, die ausreichen würden, die Kruziform völlig zu vertreiben, aber eines ist gewiß: die Bikura würden es nicht zulassen.
    Heute sitze ich auf dem Sims unter der halb vollendeten Kapelle und denke über verschiedene Möglichkeiten nach.
     
    Tag 438:
    Die Kapelle ist fertiggestellt. Sie ist mein Lebenswerk.
    Als die Bikura heute zu ihrer tagtäglichen Parodie eines Gottesdienstes in die Kluft hinabgestiegen sind, habe ich vor dem Altar der neu errichteten Kapelle die Messe gelesen. Ich habe das Brot aus Chalmamehl gebacken und bin sicher, es muß nach diesen weichen gelben Blättern geschmeckt haben, aber für mich schmeckte es genau wie die erste Hostie, die ich bei meiner ersten heiligen Kommunion vor rund sechzig Standardjahren in Villefranche-sur-Saône bekommen habe.
    Morgen werde ich ausführen, was ich geplant habe. Alles ist bereit: Meine Tagebücher und Medscanausdrucke verstaue ich in einer Tasche aus geflochtenen Asbestfasern. Mehr kann ich nicht tun.
    Der geweihte Wein war nur Wasser, aber im düsteren Licht des Sonnenuntergangs hat es blutrot ausgesehen und wie Abendmahlswein geschmeckt.
    Der Trick besteht darin, tief genug in den Flammenwald einzudringen. Ich muß hoffen, daß die Teslabäume auch in Ruheperioden ausreichend Aktivität zeigen.

Weitere Kostenlose Bücher