Die Hyperion-Gesänge 01 - Hyperion
FORCE-Kriegsgerichtsausschuß auf Freeholm. Als er seine Entscheidung auf Qom-Riyadh getroffen hatte, war ihm klar gewesen, daß seine Vorgesetzten keine andere Wahl haben würden, als ihn entweder zu kreuzigen oder zu befördern.
FORCE war stolz darauf, auf alle Eventualitäten im Netz oder den Kolonialregionen vorbereitet zu sein, aber nichts konnte sie auf die Schlacht von Südbressia und die Bedeutung für den Neuen Bushido vorbereiten.
Der Neue Bushido-Codex, der Oberst Kassads Leben bestimmte, hatte sich aus der Notwendigkeit der militärischen Kaste entwickelt, zu überleben. Nach den Obszönitäten Ende des zwanzigsten und Anfang des einundzwanzigsten Jahrhunderts auf der Alten Erde, als militärische Führer ihre Nationen militärischen Strategien überantwortet hatten, bei denen ganze Zivilbevölkerungen legitime Ziele waren, während ihre uniformierten Henker wohlbehalten in autarken Bunkern fünfzig Meter unter der Erde saßen, war die Abneigung der überlebenden Zivilisten so groß geworden, daß das Wort ›Militär‹ mehr als ein Jahrhundert lang einer Aufforderung zum Lynchen gleichkam.
Als sich der Neue Bushido entwickelte, verband er die uralten Konzepte von Ehre und individuellem Mut mit der Notwendigkeit, Zivilisten zu schonen, wann immer es ging. Er sah auch die Notwendigkeit ein, zum vornapoleonischen Konzept begrenzter, ›nichttotaler‹ Kriege mit eindeutigen Zielen und der Ächtung von Exzessen zurückzukehren. Der Codex untersagte Kernwaffen und strategische Bombenangriffe, außer in den allernotwendigsten Fällen, mehr noch, er forderte eine Rückbesinnung auf mittelalterliche Konzepte der Alten Erde, indem kleine Schlachten zwischen professionellen Truppen zu gegenseitig vereinbarten Zeiten und an Orten abgehalten wurden, wo sich die Zerstörung von öffentlichem und privatem Eigentum auf ein Minimum beschränken ließ.
Dieser Codex funktionierte in den ersten vier Jahrhunderten der Post-Hegira-Expansion ausgezeichnet. Die Tatsache, daß essentielle Technologien drei dieser vier Jahrhunderte lang eingefroren waren, wirkte sich zugunsten der Hegemonie aus, deren Monopol auf Benützung der Farcaster ihr ermöglichte, die bescheidenen Reserven von FORCE in der erforderlichen Zeitspanne an den richtigen Plätzen einzusetzen. Auch wenn sie durch die unvermeidlichen Schaltjahre der Zeitschuld getrennt war, konnte keine Kolonie oder unabhängige Welt sich Hoffnungen machen, daß sie der Macht der Hegemonie etwas entgegenzusetzen hatte. Zwischenfälle wie die politische Rebellion auf Maui-Covenant mit ihrem einmaligen Guerillakrieg oder der religiöse Wahnsinn auf Qom-Riyadh wurden rasch und unnachgiebig niedergeschlagen, und jedwede Exzesse bei den Feldzügen betonten nur, wie wichtig es war, zum strengen Codex des Neuen Bushido zurückzukehren. Doch bei allen Berechnungen und Vorbereitungen von FORCE hatte keiner hinreichend die unvermeidliche Konfrontation mit den Ousters planen können.
Die Ousters waren die einzige externe Bedrohung der Hegemonie in den vier Jahrhunderten, seit die Vorfahren dieser Barbarenhorden das Sol-System mit ihrer kruden Flotte leckgeschlagener O'Neill-Städte, kreisender Asteroiden und Kometenfarmprototypen verlassen hatten. Auch als die Ousters den Hawking-Antrieb übernahmen, blieb es offizielle Politik der Hegemonie, sie nicht zu beachten, so lange ihr Schwarm in der Dunkelheit zwischen den Sternen blieb und ihre Beutezüge in Sonnensystemen sich darauf beschränkten, kleine Mengen Wasserstoff von Gasriesen und Wassereis von unbewohnten Monden zu stehlen.
Die kleineren Scharmützel im Outback, etwa Bent's World und GHC 2990, wurden als für die Hegemonie uninteressante Abweichungen betrachtet. Selbst die erbitterte Schlacht um Lee Drei war als Problem des Kolonialdienstes angesehen worden, und als die Einsatzflotte von FORCE sechs lokale Jahre nach dem Überfall eingetroffen war, fünf Jahre nach dem Rückzug der Ousters, wurden sämtliche Grausamkeiten bequem zugunsten der Überzeugung vergessen, daß sich kein Überfall der Barbaren wiederholen würde, wenn die Hegemonie beschloß, die Krallen zu zeigen.
In den Jahrzehnten nach Lee Drei fanden Scharmützel zwischen Truppen von FORCE und den Ousters in hundert Grenzgebieten statt, aber abgesehen von den seltsamen Einsätzen der Marines an schwerelosen Orten im Vakuum kam es nicht zu Infanteriekonfrontationen. Geschichten im Weltennetz betonten: Die Ousters würden nie eine Bedrohung für erdähnliche
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