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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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denken. An normalen Tagen sieht man ein ruhiges Meer mit interessanten Wellenmustern. Bei Krisen zeigen sich Wogen und Schaumkronen. Heute war Sturm aufgekommen. Das Eindringen wurde auf freie Zugangskanäle verschoben, Verwirrung herrschte, umspülte die Wellenbrecher neuester Datenergänzungen, die Matrix der Dateiebene schwappte über vor Speicherverlagerungen und gewaltigen Kredittransfers, und das All-Wesen, normalerweise ein vielschichtiges Summen von Informationen und politischen Debatten, war ein tosender Wind der Verwirrung, unbeachteter Referenzen und vergeblichen Positionstemplaten, die wie Wolkenfetzen vorüberwehten.
    »Großer Gott«, flüsterte ich, unterbrach den Zugang, spürte aber den Druck der Informationen immer noch gegen meine Implantatschaltkreise und das Gehirn tosen. Krieg. Überraschungsangriff. Bevorstehende Vernichtung des Netzes. Gerüchte, Gladstone wegen Hochverrats anzuklagen. Aufstände auf Dutzenden Welten. Erstarken des Shrike-Kults auf Lusus. Die FORCE-Flotte wurde aus dem Hyperion-System abgezogen – eine Verzweiflungsmaßnahme, aber zu spät, zu spät. Hyperion bereits unter Bombardement. Angst vor einer Farcasterinvasion.
    Ich stand auf, rannte nackt zur Dusche und ultraschallduschte in Rekordzeit. Hunt oder sonst jemand hatte einen förmlichen grauen Anzug nebst Cape zurechtgelegt, ich zog mich hastig an, strich das nasse Haar zurück, so daß die Locken auf den Kragen fielen.
    Es wäre nicht gut, die Präsidentin der Hegemonie der Menschheit warten zu lassen. O nein, das wäre ganz und gar nicht gut.
     
    »Wird auch Zeit, daß Sie sich sehen lassen«, sagte Meina Gladstone, als ich ihre Privatgemächer betrat.
    »Verdammt, was haben Sie getan?« schnauzte ich sie an.
    Gladstone blinzelte. Offenbar war es die Präsidentin der Hegemonie der Menschheit nicht gewöhnt, daß in diesem Ton mit ihr gesprochen wurde.
    »Vergessen Sie nicht, wer Sie sind und wen Sie vor sich haben«, sagte Gladstone kalt.
    »Ich weiß nicht, wer ich bin. Und möglicherweise spreche ich mit der größten Massenmörderin seit Horace Glennon-Height. Warum haben Sie diesen Krieg nur zugelassen?«
    Gladstone blinzelte und sah sich um. Wir waren allein. Ihr Wohnzimmer war lang und angenehm dunkel, Originalgemälde von der Alten Erde hingen an den Wänden. In diesem Augenblick wäre mir gleichgültig gewesen, hätte ich mich in einem Zimmer voll Originalen van Goghs befunden. Ich betrachtete Gladstone, doch das Lincolneske Gesicht war im spärlichen Licht, das durch die Jalousien drang, lediglich das einer alten Frau. Sie erwiderte meinen Blick einen Moment lang, dann wandte sie sich wieder ab.
    »Ich entschuldige mich«, sagte ich ohne entschuldigenden Tonfall in der Stimme. »Sie haben ihn nicht zugelassen, Sie haben ihn gemacht, oder nicht?«
    »Nein, Severn, ich habe ihn nicht gemacht.« Gladstones Stimme klang gedämpft, fast flüsternd.
    »Sprechen Sie«, sagte ich. Ich ging vor den hohen Fenstern auf und ab und beobachtete, wie das Licht durch die Jalousien wie gemalte Streifen über mich wanderte. »Und ich bin nicht Joseph Severn.«
    Sie zog eine Braue hoch. »Soll ich Sie M. Keats nennen?«
    »Sie können mich Niemand nennen«, sagte ich. »Wenn die anderen Zyklopen kommen und fragen, wer Sie geblendet hat, können Sie sagen, Niemand, und dann werden sie weggehen und sagen, es sei der Wille der Götter gewesen.«
    »Haben Sie vor, mich zu blenden?«
    »Im Augenblick könnte ich Ihnen den Hals umdrehen und ohne ein Fünkchen Mitleid meines Weges gehen.
    Millionen werden vor Ende dieser Woche sterben. Wie konnten Sie das nur geschehen lassen?«
    Gladstone faßte sich an die Unterlippe. »Die Zukunft zeigte nur zwei mögliche Zweige«, sagte sie leise, »Krieg und völlige Unsicherheit oder Frieden und sichere Vernichtung. Ich habe mich für Krieg entschieden.«
    »Wer sagt das?« Jetzt drückte meine Stimme mehr Neugier als Wut aus.
    »Es ist eine Tatsache.« Sie sah auf ihr Komlog. »In zehn Minuten muß ich vor dem Senat erscheinen und den Krieg erklären. Erzählen Sie mir Neuigkeiten von den Pilgern auf Hyperion.«
    Ich verschränkte die Arme und sah sie an. »Ich werde Sie Ihnen erzählen, wenn Sie mir etwas versprechen.«
    »Wenn ich kann.«
    Ich überlegte und kam zum Ergebnis, daß kein Druck im Universum diese Frau dazu bringen konnte, einen Blankoscheck zu unterschreiben. »Na gut«, sagte ich. »Ich möchte, daß Sie eine Fatlinesendung nach Hyperion schicken, das Schiff des Konsuls

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