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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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gestorben und Sonnenlicht über das Tal und die Gräber geschlichen war. Die Sphinx kauerte über ihnen wie ein Raubtier, die kräftigen Beine hatte sie auf beiden Seiten der Treppe ausgestreckt, wo die beiden geschlafen hatten.
    Rachel weinte, ihr Gesicht war vom Schock des Erwachens, Hunger und der Angst ihres Vaters verzerrt, die sie spürte. Sol stand im grellen Sonnenschein und wiegte sie. Er ging zur obersten Stufe der Sphinx, wechselte ihre Windel, wärmte eines der letzten Nahrungspacks, gab es ihr, bis aus dem Wimmern leises, zufriedenes Greinen geworden war, ließ sie aufstoßen und ging mit ihr herum, bis sie wieder in leichten Schlaf versank.
    Weniger als zehn Stunden noch bis zu ihrer ›Geburt‹. Weniger als zehn Stunden bis Sonnenuntergang und den letzten Minuten des Lebens seiner Tochter. Nicht zum erstenmal wünschte sich Sol, das Zeitgrab wäre ein großes Glasgebäude, das den Kosmos und die herrschende Gottheit repräsentierte. Sol würde Steine nach dem Gebäude werfen, bis keine einzige Scheibe mehr heil war.
    Er versuchte sich an die Einzelheiten des Traums zu erinnern, aber Wärme und Zuversicht verflogen im grellen Licht von Hyperions Sonne. Er erinnerte sich nur noch an Rachels geflüsterte Aufforderung. Beim Gedanken, sie dem Shrike zu opfern, verkrampfte sich Sols Magen vor Grauen: »Alles wird gut«, flüsterte er ihr zu, während sie zuckend und sich windend in den trügerischen Hafen des Schlafs einlief. »Alles wird gut, Kindchen. Das Schiff des Konsuls wird bald hier sein. Das Schiff muß jeden Augenblick eintreffen.«
     
    Das Schiff des Konsuls war zur Mittagszeit immer noch nicht da. Der Schiff des Konsuls war am frühen Nachmittag nicht da. Sol lief das Tal auf und ab und rief nach allen, die verschwunden waren, sang halb vergessene Lieder, wenn Rachel aufwachte und Schlummerlieder, wenn sie wieder eindöste. Seine Tochter war so winzig und leicht: zweitausenddreihundertzweiunddreißig Gramm schwer und achtundvierzig Zentimeter groß bei der Geburt, fiel ihm wieder ein und er mußte lächeln, weil er die antiken Maße seiner alten Heimat Barnards Welt verwendete.
    Am Spätnachmittag schreckte er aus seinem Dösen im Schatten unter der ausgestreckten Pfote der Sphinx hoch und stand mit der wachen Rachel in den Armen da, während ein Raumschiff über die Kuppel des lapislazulifarbenen Himmels zog.
    »Es kommt!« rief er, und Rachel regte sich und zappelte wie als Antwort.
    Eine Linie blauer Fusionsflammen leuchtete mit der Helligkeit, die Raumschiffen in der Atmosphäre vorbehalten ist. Sol sprang auf und ab und fühlte zum erstenmal seit Tagen Erleichterung. Er schrie und hüpfte, bis Rachel vor Angst weinte. Sol hielt inne, hielt sie hoch, obwohl er wußte, sie konnte die Augen noch nicht einstellen, wollte aber dennoch, daß sie die Schönheit des Schiffs im Landeanflug sah, das über den fernen Gebirgszug schwebte und dann der Hochebene entgegensank.
    »Er hat es geschafft!« schrie Sol. »Er kommt! Das Schiff wird ...«
    Drei Donnerschläge rollten fast gleichzeitig über das Tal dahin; die beiden ersten waren die Überschallknalls der ›Fußabdrücke‹ des Schiffes beim Bremsmanöver, die ihm vorauseilten. Der dritte war der Explosionsknall seiner Vernichtung.
    Sol sah, wie das glühende Stecknadelköpfchen am Ende der langen Fusionsspur plötzlich heller als die Sonne wurde, in einer Wolke aus Flammen und brennenden Gasen anwuchs und dann in Zehntausend brennenden Trümmern zu Boden sank. Er versuchte die Nachbilder auf seiner Netzhaut wegzublinzeln, während Rachel laut weinte.
    »Mein Gott«, flüsterte Sol. »Mein Gott.« An der völligen Zerstörung des Schiffs konnte kein Zweifel bestehen. Sekundäre Explosionen zerrissen den Himmel selbst aus dreißig Kilometern Entfernung, während Trümmer herabregneten und Rauch und Flammen hinter sich herzogen bis zur Wüste, den Bergen und dem Grasmeer dahinter. »Mein Gott!«
    Sol setzte sich in den warmen Sand. Er war zu erschöpft zum Weinen, zu leer, um etwas anderes zu tun als sein Kind zu wiegen, bis es aufhörte zu weinen.
    Zehn Minuten später blickte Sol auf, als zwei weitere Fusionsschweife über den Himmel brannten, diesmal vom Zenit nach Süden. Ein Schiff explodierte so weit entfernt, daß er das Geräusch nicht hören konnte. Das zweite stürzte hinter den südlichen Klippen ab, hinter der Bridle Range.
    »Vielleicht war es nicht der Konsul«, flüsterte Sol. »Es könnte die Ousterinvasion sein. Vielleicht wird

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