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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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aufgeschreckt von neuerlichen Schüssen, diesmal viel näher – vorwärts Richtung Portalplattformen.
    Die Polizisten feuerten Tränengas und Schwindelkanister. Zwischen Mob und Farcaster erwachten violette Sperrfelder pfeifend zum Leben. Eine Flotte Militär-EMVs und Sicherheitsgleiter schwebten dicht über der Stadt heran und richteten Suchscheinwerfer nach unten. Einer der Lichtstrahlen erfaßte mich, verweilte auf mir, bis mein Komlog auf ein Verhörsignal reagierte, und zog dann weiter. Es fing an zu regnen.
    Soviel zu Gleichmut.
    Die Polizei hatte den öffentlichen Terminex von Rifkin Heights gesichert und zog sich durch das Portal des Atmosphärischen Protektorats zurück, das ich benützt hatte. Ich beschloß, einen anderen Weg zu wählen.
    FORCE-Kommandos bewachten die Säle des Regierungsgebäudes und durchsuchten die Farcasterankömmlinge, obwohl dieses Portal im ganzen Netz eines der am schwierigsten zu erreichenden war. Ich mußte durch drei Kontrollpunkte, ehe ich den Regierungswohnkomplex erreichte, wo mein Apartment lag. Plötzlich schwärmten Wachen aus, die den Hauptflur freimachten und die Nebenflure sicherten, dann schwebte Gladstone in Begleitung eines ganzen Schwarms von Ratgebern, Attachés und Führern des Militärs vorbei. Zu meiner Überraschung sah sie mich, brachte ihr Gefolge linkisch zum Stillstand und sprach mich durch die Barrikade der Marines in Kampfanzügen hinweg an.
    »Wie hat Ihnen die Rede gefallen, M. Niemand?«
    »Prima«, sagte ich. »Rührend. Und von Winston Churchill gestohlen, wenn ich mich nicht irre.«
    Gladstone lächelte und zuckte verhalten die Achseln. »Wenn man schon stiehlt, sollte man von den vergessenen Meistern stehlen.« Das Lächeln verschwand. »Gibt es Neuigkeiten von der Front?«
    »Die Lage wird mir erst allmählich bewußt«, sagte ich. »Rechnen Sie mit Panik.«
    »Immer«, sagte die Präsidentin. »Welche Neuigkeiten haben Sie von den Pilgern?«
    Ich war überrascht. »Den Pilgern? Ich habe nicht ... geträumt.«
    Die Strömung von Gladstones Gefolgschaft und den bevorstehenden Ereignissen zog sie langsam weiter den Flur hinab. »Vielleicht müssen Sie gar nicht mehr schlafen, um zu träumen«, rief sie. »Versuchen Sie es.«
    Ich sah ihr nach, durfte meine Suite suchen, fand die Tür und wandte mich voll Selbstverachtung ab. Ich zog mich voll Angst und Schock vor dem Schrecken zurück, der über uns alle kam. Ich wäre zufrieden gewesen, im Bett zu liegen, den Schlaf zu meiden und die Decke bis zum Kinn zu ziehen, während ich um das Netz, das Kind Rachel und mich selbst weinte.
    Ich verließ den Wohnkomplex und begab mich in den Innengarten, wo ich die Kieswege entlangschlenderte. Winzige Mikrosonden summten wie Bienen durch die Luft, eine folgte mir, als ich durch den Rosengarten ging und das Gelände betrat, wo ein tiefer gelegener Weg sich zwischen feuchten tropischen Pflanzen und in die Sektion der Alten Erde bei der Brücke wand. Ich setzte mich auf die Steinbank, wo ich mich mit Gladstone unterhalten hatte.
    Vielleicht müssen Sie gar nicht mehr schlafen, um zu träumen. Versuchen Sie es.
    Ich zog die Füße auf die Bank hoch, legte das Kinn auf die Knie, drückte die Fingerspitzen an die Schläfen und machte die Augen zu.
     

32
     
    Martin Silenus zuckt und windet sich in der reinsten Poesie des Schmerzes. Ein zwei Meter langer Dorn aus Stahl dringt zwischen den Schulterblättern in seinen Körper ein und kommt zur Brust wieder heraus, er verjüngt sich einen Meter weiter zur Spitze. Silenus' rudernde Arme können diese Spitze nicht erreichen. Der Dorn hat keinen Reibungswiderstand, die verschwitzten Finger und Handflächen finden keinen Halt. Aber obwohl der Dorn unter Berührung glatt ist, rutscht der Körper nicht ab; Silenus ist so fest aufgespießt wie ein ausgestellter Schmetterling.
    Es fließt kein Blut.
    In den Stunden, seit die Vernunft durch den irren Dunst der Schmerzen zurückgekehrt ist, hat sich Martin Silenus darüber gewundert. Kein Blut. Aber Schmerzen. O ja, Schmerzen im Überfluß – Schmerzen, wie sie sich der Dichter schlimmer niemals hätte vorstellen können, Schmerzen jenseits menschlichen Ertragens und den Grenzen des Leids.
    Aber Silenus erträgt. Und Silenus leidet.
    Er schreit zum tausendsten Mal, ein abgehackter Laut, ohne Inhalt, ohne Sprache, nicht einmal Flüche. Worte vermögen solche Qualen nicht zu vermitteln. Silenus schreit und windet sich. Nach einer Weile hängt er nur noch schlaff da, und der lange

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