Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
angesammelt, deren Wände flattern und im Wind wie Pistolenschüsse knallen, und Dünen frisch verwehten Sands haben sich rings um das Lager herum gebildet und Rinnen und Furchen und Spalten auf der Leeseite von Zelten und Ausrüstung geschaffen. In den anderen Zelten regt sich niemand. Das Zelt, in dem sie mit Pater Hoyt untergebracht war, ist halb zusammengefallen und fast unter den wachsenden Dünen begraben.
    Hoyt.
    Seine Abwesenheit hat sie geweckt. Sogar in ihren Träumen hat ein Teil ihres Bewußtseins das leise Atmen und fast unhörbare Stöhnen des schlafenden Priesters, der mit seinen Schmerzen kämpfte, zur Kenntnis genommen. Irgendwann im Verlauf der letzten halben Stunde war er aufgestanden und hinausgegangen. Wahrscheinlich höchstens vor ein paar Minuten; Brawne Lamia weiß, obwohl sie von Johnny geträumt hat, ist ihr ein Rascheln und Rutschen über das Prasseln von Sand und Heulen des Windes hinweg aufgefallen.
    Lamia steht auf und schirmt die Augen vor dem Sandsturm ab. Es ist sehr dunkel, die Sterne werden von hohen Wolken und dem Sturm auf der Oberfläche verdeckt, aber eine schwache, fast elektrische Strahlung erfüllt die Atmosphäre und spiegelt sich auf den Oberflächen von Felsen und Dünen. Lamia stellt fest, daß es sich tatsächlich um Elektrizität handelt, daß die Luft von einer Statik erfüllt ist, die ihre Haarlocken veranlaßt, sich in medusengleichen Bewegungen zu winden und zu schlängeln. Statische Entladungen kriechen an den Ärmeln ihrer Tunika entlang und gleiten wie Elmsfeuer über die Zeltwände.
    Als ihre Augen sich angepaßt haben, sieht Lamia, daß fahles Feuer in den wandernden Dünen leuchtet. Vierzig Meter im Osten ist das Grab namens Sphinx ein knisternder, pulsierender Umriß in der Nacht. Ströme bewegen sich an den abgespreizten Auswüchsen entlang, die häufig als Schwingen bezeichnet werden.
    Brawne Lamia sieht sich um, findet keine Spur von Pater Hoyt und überlegt, ob sie um Hilfe rufen soll. Ihr wird klar, daß man ihre Stimme über das Heulen des Windes hinweg nicht hören wird. Sie fragt sich für einen Moment, ob der Priester lediglich in eins der anderen Zelte oder zu der behelfsmäßigen Latrine zwanzig Meter westlich gegangen ist, aber etwas sagt ihr, daß dies nicht der Fall ist. Sie schaut zur Sphinx und sieht – einen Sekundenbruchteil nur – möglicherweise die Gestalt eines Mannes mit wie ein Banner flatterndem schwarzem Mantel und gegen den Wind gekrümmten Schultern als Umriß vor dem statischen Leuchten des Grabs.
    Eine Hand fällt auf ihre Schulter.
    Brawne Lamia duckt sich weg und geht in Angriffshaltung, linke Hand ausgestreckt, rechte Faust starr. Sie erkennt Kassad, der dort steht. Der Oberst ist um die Hälfte größer als Lamia und halb so breit –, Miniaturblitze huschen über seine schlanke Gestalt, während er sich herunterbeugt und ihr etwas ins Ohr brüllt. »Er ist dorthin gegangen!« Der lange, schwarze Vogelscheuchenarm streckt sich der Sphinx entgegen.
    Lamia nickt und brüllt zurück, kann aber selbst ihre Stimme kaum über das Heulen hinweg verstehen. »Sollen wir die anderen wecken?« Sie hatte vergessen, daß Kassad Wache hielt. Schlief dieser Mann denn niemals?
    Fedmahn Kassad schüttelt den Kopf. Seine Visiere sind hochgeklappt, der Helm destrukturiert, so daß er eine Kapuze am Rücken des gefechtsgepanzerten Overalls bildet. Im Glanz seines Anzugs sieht Kassads Gesicht sehr blaß aus. Er deutet zur Sphinx. Die Vielzweckwaffe von FORCE hält er in der linken Armbeuge. Granaten, Fernglasgehäuse und geheimnisvollere Gerätschaften hängen an Ösen und Karabinerhaken des Schutzpanzers. Er deutet noch einmal zur Sphinx.
    Lamia beugt sich nach vorn und brüllt: »Hat ihn das Shrike geholt?«
    Kassad schüttelte den Kopf.
    »Können Sie ihn sehen?« Sie deutete auf sein Nachtvisier und das Fernglas.
    »Nein«, sagt Kassad. »Der Sturm. Verweht Wärmespuren.«
    Brawne Lamia drehte dem Wind den Rücken zu und spürt, wie Teilchen ihren Hals treffen wie Nadeln eines Betäubungsgewehrs. Sie befragt ihr Komlog, doch das verrät ihr nur, daß Hoyt noch lebt und in Bewegung ist; sonst wird nichts auf der gemeinsamen Frequenz übermittelt. Sie bewegt sich, bis sie neben Kassad ist und ihre Rücken einen Schutz gegen die Böen bilden. »Sollen wir ihm folgen?« fragt sie.
    Kassad schüttelt den Kopf. »Wir dürfen die Grenze nicht unbewacht lassen. Ich habe Alarmanlagen hinterlassen, aber ...« Er deutet in den Sturm.
    Brawne Lamia

Weitere Kostenlose Bücher