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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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sich vom Rest des Vehikels, dann war ich unten und kam zwei Meter von der Mauer über dem Kanal entfernt zum Stillstand. Ich entfernte mich mit soviel Nonchalance, wie ich aufbringen konnte, von dem Vikken.
    Die Straßen wurden immer noch von der Menge beherrscht – die sich hier freilich noch nicht zum Mob zusammengerottet hatte –, und auf den Kanälen herrschte ein Durcheinander kleiner Boote, daher schlenderte ich in das nächste öffentliche Gebäude, um von der Bildfläche zu verschwinden. Es handelte sich um ein Museum, eine Bibliothek und ein Archiv zugleich; ich verliebte mich auf den ersten Blick darin ... und in seinen Geruch, denn hier standen Tausende gedruckte Bücher, viele ziemlich alt, und nichts riecht so wunderbar wie alte Bücher.
    Ich schlenderte durch den Raum, las Titel und fragte mich müßig, ob ich die Werke von Salmud Brevy hier finden würde, als ein kleiner, verschmitzter Mann in einem altmodischen Anzug aus Wolle und Fiberplastik auf mich zu kam. »Sir«, sagte er, »es ist lange her, seit uns die Freude Ihrer Gesellschaft zuteil wurde.«
    Ich nickte und war sicher, daß ich diesen Mann noch nie gesehen hatte und noch nie hier gewesen war.
    »Drei Jahre, richtig? Mindestens drei Jahre! Herrje, wie die Zeit vergeht!« Die Stimme des kleinen Mannes war kaum mehr als ein Flüstern – der gedämpfte Tonfall von jemand, der fast sein ganzes Leben in Bibliotheken zugebracht hat –, aber der Unterton der Aufregung darin ließ sich nicht leugnen. »Ich bin sicher, Sie möchten gleich in die Sammlung gehen«, sagte er und trat beiseite, um mich durchzulassen.
    »Ja«, sagte ich und verbeugte mich ein wenig. »Aber nach ihnen.«
    Der kleine Mann – ich war fast sicher, daß es sich um einen Archivar handelte –, schien erfreut zu sein, daß er vorgehen durfte. Er schwatzte unermüdlich über Neuerwerbungen, neueste Würdigungen und Besuche von Gelehrten aus dem Netz, während wir durch einen Saal voll Bücher nach dem anderen gingen; durch hohe, mehrgeschossige Grüfte voller Bücher; durch mahagonigetäfelte Flure voller Bücher und durch geräumige Säle, wo unsere Schritte von fernen Bücherwänden widerhallten. Während des ganzen Wegs sah ich sonst niemanden.
    Wir überquerten einen gefliesten Durchgang mit schmiedeeisernen Geländern über einem versunkenen Becken mit Büchern, wo blaue Sperrfelder Schriftrollen, Pergamente, verfallende Karten, illuminierte Manuskripte und uralte Comics vor dem Wirken der Atmosphäre schützten. Der Archivar machte eine schmale Tür auf, die dicker als manche Luftschleuse war, dann befanden wir uns in einem kleinen Raum ohne Fenster, wo dicke Jalousien Alkoven voll alter Folianten halb verbargen. Ein einziger Ledersessel stand auf einem Prä-Hegira-Perserteppich, in einem Glaskasten sah ich einige Stücke vakuumgepreßtes Pergament.
    »Haben Sie vor, bald zu veröffentlichen?« fragte der kleine Mann.
    »Was?« Ich wandte mich von dem Schaukasten ab. »O ... nein«, sagte ich.
    Der Archivar griff sich mit einer kleinen Faust ans Kinn. »Verzeihen Sie, wenn ich das so offen sage, Sir, aber es wäre ein schrecklicher Verlust, wenn Sie es nicht tun würden. Schon in unseren wenigen Unterhaltungen im Lauf der Jahre ist deutlich geworden, daß Sie einer der besten – wenn nicht der beste – Keatskenner im Netz sind.« Er seufzte und wich einen Schritt zurück. »Bitte verzeihen Sie meine Offenheit, Sir.«
    Ich sah ihn an. »Schon gut«, sagte ich und wußte plötzlich genau, für wen er mich hielt und warum derjenige hierher gekommen war.
    »Sie möchten sicher gern allein sein, Sir.«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht.«
    Der Archivar verbeugte sich ansatzweise, verließ das Zimmer und machte die dicke Tür bis auf einen Spalt zu. Das einzige Licht stammte aus drei in die Decke eingelassenen Lampen: zum Lesen ausreichend, aber nicht so grell, daß die andächtige Atmosphäre des Raums zunichte gemacht worden wäre. Das einzige Geräusch waren die weit entfernten Schritte des Archivars. Ich ging zu dem Schaukasten, legte die Hände an den Rand und achtete sorgfältig darauf, daß ich das Glas nicht verschmierte.
    Der erste Keats-Rekonstruktionscybrid, ›Johnny‹, war offensichtlich in seinen wenigen Jahren im Netz öfter einmal hierher gekommen. Jetzt fiel mir ein, daß in Brawnes Geschichte eine Bibliothek irgendwo auf Renaissance V erwähnt worden war. Sie war ihrem Klienten und Liebhaber am Anfang der Ermittlungen wegen seines ›Todes‹ hierher

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