Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
durch aufgemotzte Schwarzmarkteinheiten ersetzt, die nie durch eine Inspektion gekommen wären. Der Perspexbaldachin war hinten verschmort und schwarz, als hätte ihn jemand mit einer Laserwaffe als Zielscheibe benützt.
Im Augenblick war jedoch viel wichtiger, daß es kein Handflächenschloß besaß, sondern lediglich ein uraltes Schlüsselloch, das schon vor langer Zeit aufgebrochen worden war. Ich warf mich auf den staubigen Sitz und versuchte, die Tür zuzuschlagen; sie rastete nicht ein, sondern blieb halb offen hängen. Ich stellte keine Spekulationen über die unwahrscheinliche Möglichkeit an, daß das Ding anspringen würde, auch nicht auf die noch geringere Wahrscheinlichkeit, ich könnte vernünftig mit dem Mob reden, wenn mich die Leute hinaus und nach unten zerrten ... falls sie mich nicht einfach vom Dach des Gebäudes warfen. Ich hörte das gellende Schreien, mit dem sich der Mob unten auf dem Platz in Raserei brüllte.
Die ersten auf dem Dach waren ein vierschrötiger Mann im Khakioverall, ein schlanker Mann im mattschwarzen Anzug, wie er auf Tau Ceti Center gerade der letzte Schrei war, eine ungeheuer dicke Frau, die einen langen Schraubenschlüssel schwang und ein kleiner Mann im Grün der Selbstschutzstaffel von Renaissance V.
Ich hielt die Tür mit der linken Hand zu und führte Gladstones Befugnismikrocard in den Zünddiskey ein.
Die Batterie heulte, der Anlasser knirschte sich einen ab, und ich machte die Augen zu und wünschte mir, die Energieversorgung würde solarbetrieben und selbstreparierend sein.
Fäuste hämmerten aufs Dach, Hände schlugen gegen das gekrümmte Perspex vor meinem Gesicht, und jemand zerrte die Tür auf, obwohl ich mir alle Mühe gab, sie geschlossen zu halten. Das Brüllen der fernen Menge glich dem Hintergrundgeräusch, das eine Brandung erzeugt; das Kreischen der Gruppe auf dem Dach war wie die Schreie zu groß geratener Möwen.
Die Schwebschaltkreise funktionierten, Schubdüsen fegten Staub und Taubendreck über die Bande auf dem Dach, und ich führte die Hand in die Omnikontrolle ein, schaltete zurück und nach rechts und spürte, wie das alte Scenic abhob, trudelte, aufsetzte und wieder abhob.
Ich steuerte direkt über den Platz und bekam nur am Rande mit, daß die Alarmsignale am Armaturenbrett klingelten und immer noch jemand an der offenen Tür baumelte. Ich ging im Sturzflug nach unten und lächelte unwillkürlich, als ich sah, wie Reynolds, der Wortführer des Shrike-Kults, sich duckte und die Menge auseinanderstob, dann zog ich über dem Springbrunnen hoch und kippte scharf nach links.
Mein kreischender Passagier ließ die Tür nicht los, aber die Tür fiel ab, und die Wirkung war dieselbe. Ich stellte fest, daß es die dicke Frau gewesen war, die einen Augenblick später samt Tür acht Meter tiefer ins Wasser fiel und Reynolds und die Menge naßspritzte. Ich zog das EMV höher und hörte, wie die Schwebeinheiten vom Schwarzmarkt auf diese Entscheidung mit Stöhnen reagierten.
Wütende Stimmen der hiesigen Luftverkehrskontrolle gesellten sich zum Chor der Alarmglocken am Armaturenbrett, die Kabine schwankte, als die Polizeifernsteuerung übernahm, aber ich berührte den Diskey noch einmal mit meiner Mikrocard und nickte, als die Steuerung wieder dem Omnistick gehorchte. Ich flog über den ältesten, ärmsten Stadtteil, blieb dicht über den Dächern und steuerte um Türme und Minarette herum, damit ich unter dem Polizeiradar blieb. An einem normalen Tag hätten mich die Bullen von der Verkehrskontrolle schon längst mit Schweberucksäcken und Stabschwebern umzingelt und eingekreist, aber die Menschenmengen auf den Straßen unten und die Handgemenge vor den öffentlichen Farcasterterminexen deuteten darauf hin, daß dies alles andere als ein normaler Tag war.
Das Scenic warnte mich, daß seine Zeit in der Luft nur noch nach Sekunden bemessen war, ich spürte, wie die Steuerbordschwebdüse mit einem übelkeiterregenden Flattern den Geist aufgab und mühte mich mit Omni und Bodenpedal ab, die kippende Schrottkiste auf einem kleinen Parkplatz zwischen einem Kanal und einem großen rußigen Gebäude zu landen. Diese Stelle war mindestens zehn Klicks von dem Platz entfernt, wo Reynolds den Mob aufgewiegelt hatte, daher schien mir das Risiko am Boden nicht so groß zu sein ... nicht, daß ich in diesem Augenblick eine andere Wahl gehabt hätte.
Funken flogen, Metall riß, Teile des hinteren Quarterpanels, der Heckflosse und des vorderen Trittbretts lösten
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