Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
Immerblausträucher wiegen sich im Wind.
»Theo, wie konntest du Zeit finden, persönlich nach mir zu suchen? Die Situation auf Hyperion muß der reine Wahnsinn sein.«
»Stimmt.« Theo befahl dem Autopiloten zu übernehmen, als er sich zum Konsul umdrehte. »Es ist eine Frage von Stunden – vielleicht Minuten –, bis die Ousterinvasion tatsächlich stattfindet.«
Der Konsul blinzelte. »Stattfindet? Du meinst sie landen?«
»Genau.«
»Aber die Flotte der Hegemonie ...»
»Ist in völligem Chaos. Sie konnten kaum gegen den Schwarm bestehen, bevor die Invasion des Netzes begonnen hat.«
»Das Netz!«
»Ganze Systeme fallen. Andere sind bedroht. FORCE hat die Flotte durch die militärischen Farcaster zurückbeordert, aber offensichtlich kommen ihre Schiffe im System schlecht weg. Niemand nennt mir Einzelheiten, aber es ist offensichtlich, daß die Ousters überall freien Zugang haben, abgesehen von der Verteidigungsgrenze, die FORCE um die Singularitätssphären und Portale gezogen hat.«
»Der Raumhafen?« Der Konsul denkt an sein wunderbares Schiff und sieht es als glühendes Wrack.
»Der wurde noch nicht angegriffen, aber FORCE zieht die Landungsboote und Nachschubschiffe schnellstmöglich ab. Sie haben lediglich ein allerletztes Scherflein Marines dagelassen.«
»Was ist mit der Evakuierung?«
Theo lacht. Es ist der verbittertste Laut, den der Konsul je von dem jungen Mann gehört hat. »Die Evakuierung besteht aus den Konsulatsleuten und VIPs, die noch auf dem letzten Landungsboot Platz finden.«
»Sie haben aufgegeben, die Menschen von Hyperion zu retten?«
»Sir, sie können nicht einmal ihre eigenen Leute retten. Man munkelt über Botschaftsfatline, daß Gladstone beschlossen hat, die bedrohten Netzwelten fallenzulassen, damit sich FORCE neu sammeln kann und ein paar Jahre Zeit hat, die Verteidigung zu organisieren, während die Schwärme Zeitschuld anhäufen.«
»Mein Gott«, flüstert der Konsul. Er hat fast sein ganzes Leben die Hegemonie repräsentiert und dabei stets ihren Sturz geplant, um seine Großmutter zu rächen ... den Lebensstil seiner Großmutter. Aber die Vorstellung, daß es jetzt tatsächlich geschieht ...
»Was ist mit dem Shrike?« fragt er plötzlich, als er die flachen weißen Gebäude von Keats ein paar Kilometer entfernt sieht. Sonnenschein streift die Hügel und den Fluß wie ein letzter Segen vor der Dunkelheit.
Theo schüttelt den Kopf. »Es kommen immer noch Meldungen, aber die Ousters sind zum vordringlichen Grund für Panik geworden.«
»Aber es ist nicht im Netz? Das Shrike, meine ich.«
Der Generalgouverneur wirft dem Konsul einen stechenden Blick zu. »Im Netz? Wie könnte es im Netz sein? Sie erlauben immer noch keine Farcasterportale auf Hyperion. Und es ist weder bei Keats noch Endymion noch Port Romance gesehen worden. In der Nähe keiner der größeren Städte.«
Der Konsul sagt nichts, aber er denkt: Mein Gott, mein Verrat war umsonst. Ich habe meine Seele verkauft, um die Zeitgräber zu öffnen, und das Shrike wird nicht die Ursache für den Untergang des Netzes sein ... die Ousters! Sie waren die ganze Zeit schlauer als wir. Daß ich die Hegemonie verrate, gehörte zu ihrem Plan!
»Hör zu«, sagt Theo schroff und packt den Konsul am Handgelenk, »es hat seinen Grund, daß Gladstone mich freigestellt hat, um dich zu suchen. Sie hat dein Schiff freigegeben ...«
»Prima«, sagt der Konsul. »Ich kann ...«
»Hör zu! Du kehrst nicht ins Tal der Zeitgräber zurück. Gladstone möchte, daß du den Blockadering von FORCE umgehst und ins System fliegst, bis du Kontakt mit Elementen des Schwarms aufnehmen kannst.«
»Des Schwarms? Warum sollte ich ...«
»Die Präsidentin möchte, daß du mit den Ousters verhandelst. Sie kennen dich. Sie hat sie irgendwie wissen lassen, daß du kommst. Sie glaubt, sie lassen dich ... sie werden dein Schiff nicht zerstören. Aber sie hat keine Bestätigung dafür bekommen. Es ist ein Risiko.
Gladstone hat gesagt, sie würde via Fatline deines Schiffes mit dir Kontakt aufnehmen, sobald du Hyperion verlassen hast. Es muß schnell geschehen. Heute. Bevor alle Welten der ersten Angriffswelle dem Schwarm in die Hände fallen.«
Der Konsul hört Welten der ersten Angriffswelle, fragt aber nicht, ob sein geliebtes Maui-Covenant dabei ist. Vielleicht, denkt er, wäre es das beste. Er sagt: »Nein, ich kehre ins Tal zurück.«
Theo rückte die Brille zurecht. »Das läßt sie nicht zu, Sir.«
»Ach?« Der Konsul lächelt.
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