Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
jetzt über Kopfsteinpflaster, die kaum glatter als die wahllosen Steine des Feldwegs sind, den wir eben hinter uns gelassen haben.
»Ist das eine Art Stimsim?« fragt er.
»Halten Sie den Wagen an«, sage ich und das gehorsame Pferd bleibt stehen. Ich deute auf einen großen Steinblock am Rinnstein. »Treten Sie dagegen«, sage ich zu Hunt.
Er sieht mich stirnrunzelnd an, geht zu dem Stein und versetzt ihm einen herzhaften Tritt. Weitere Tauben flattern von Glockentürmen und Efeu in die Höhe, weil die Echos seines Fluchens sie aufgeschreckt haben.
»Sie haben wie Dr. Johnson die Wirklichkeit der Lage demonstriert«, sage ich. »Dies ist kein Stimsim, kein Traum. Oder besser gesagt, nicht mehr als unser bisheriges Leben auch.«
»Warum haben sie uns hierher gebracht?« verlangt der Attaché der Präsidentin zu wissen und sieht himmelwärts, als würden die Götter selbst hinter dem pastellfarbenen Schirm der Abendwolken zuhören. »Was wollen sie?«
Sie wollen, daß ich sterbe, denke ich und erkenne, daß das der Wahrheit entspricht, als hätte mir jemand mit der Faust auf die Brust geschlagen. Ich atme langsam und flach, um einen Hustenanfall zu vermeiden, während ich Schleim im Hals blubbern und kochen spüre. Sie möchten, daß ich sterbe, und sie möchten, daß du dabei zusiehst.
Die Mähre setzt ihren mühsamen Anstieg fort, biegt rechts in die nächste schmale Gasse ein, dann gleich wieder rechts auf eine breitere Straße und bleibt vor einer gewaltigen Treppenflucht stehen.
»Wir sind da«, sage ich und bemühe mich, vom Wagen zu klettern. Meine Beine sind verkrampft, ich habe Schmerzen in der Brust, mein Hintern ist wund. In Gedanken beginne ich eine satirische Ode über die Freuden des Reisens.
Hunt steigt so ungelenk aus wie ich, verschränkt die Arme und bleibt am Fuß der gewaltigen, zweigeteilten Leiter stehen, die er betrachtet, als wäre sie eine Falle oder Illusion. »Wo genau ist da, Severn?«
Ich deutete auf den freien Platz am Fuß der Treppe. »Die Piazza di Spagna«, sage ich. Plötzlich kommt es mir seltsam vor, daß Hunt mich Severn nennt. Mir wird klar, daß der Name nicht mehr meiner war, als wir durch das Lateran-Tor gekommen sind. Oder besser gesagt, daß mein richtiger Name plötzlich wieder mein eigener geworden ist.
»Es werden nicht viele Jahre vergehen«, sage ich, »dann wird dies die spanische Treppe genannt werden.« Ich gehe langsam die rechte Seite der Treppe hinauf. Von plötzlichem Schwindelgefühl ergriffen, stolpere ich, worauf Hunt an meine Seite hastet und meinen Arm ergreift.
»Sie können nicht gehen«, sagt er. »Sie sind zu krank.«
Ich deute auf ein fleckiges altes Bauwerk, das eine Mauer an der gegenüberliegenden Seite der Treppe bildet und über die Piazza blickt. »Es ist nicht weit, Hunt. Dort ist unser Ziel.«
Gladstones Attaché wendet sich mit mißmutigem Gesicht dem Gebäude zu. »Und was ist dort? Warum machen wir dort halt? Was erwartet uns dort?«
Ich kann nicht anders, ich muß über diese unpoetischste Verwendung von Assonanz der Menschen lächeln. Plötzlich stelle ich mir vor, wie wir lange Nächte in diesem düsteren Loch von einem Haus sitzen, während ich ihm beibringe, wie man solche Techniken mit männlichen oder weiblichen Zäsuren verbindet, oder die Freude, das jambische Versmaß mit dem unbetonten pyrrhischen abzuwechseln, oder die Selbstgefälligkeit eines gelegentlichen Spondeus.
Ich huste, huste anhaltend und kann erst aufhören, als Blut meine Handfläche und das Hemd besudelt.
Hunt hilft mir die Treppe herunter, über die Piazza, wo Berninis bootsförmiger Springbrunnen in der Dämmerung gurgelt und plätschert, und dann führt er mich, meinem ausgestreckten Finger folgend, ins schwarze Rechteck der Tür – der Tür von Piazza di Spagna Nr. 26 –, und ich denke unfreiwillig an Dantes Commedia und scheine den Satz ›LASCIATE OGNE SPERANZA, VOI CH'INTRATE‹ - ›Laßt alle Hoffnung fahren, die ihr hier eintretet‹ – über dem kahlen Türrahmen eingemeißelt zu sehen.
Sol Weintraub stand am Eingang der Sphinx und schüttelte die Faust dem Universum entgegen, während sich die Nacht herniedersenkte und die Gräber im strahlenden Glanz ihres Öffnens leuchteten und seine Tochter nicht zurückkehrte. Nicht zurückkehrte.
Das Shrike hatte sie mitgenommen, hatte ihren neugeborenen Körper auf die stählerne Handfläche gelegt und war in das Leuchten zurückgewichen, das Sol in diesem Moment zurückdrängte wie ein
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