Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
ist.
Ich drängte an Leigh Hunt vorbei zur Tür.
Einer langen Tradition zufolge befanden sich keinerlei Farcasterportale im Innern des Regierungshauses. Ein kurzer Fußweg führte an den Wachen beim Haupteingang vorbei durch den Garten zu dem flachen, weißen Gebäude, welches als Pressehauptquartier und Terminex diente. Die Reporter standen um eine zentrale Videonische, wo das altbekannte Gesicht und die Stimme von Lewellyn Drake, ›Stimme des All-Wesens‹, Hintergrundinformationen zur ›Für die Hegemonie von lebenswichtiger Bedeutung‹-Rede von Präsidentin Gladstone lieferte. Ich nickte in seine Richtung, fand ein unbenutztes Portal, präsentierte meine Universalkarte und machte mich auf die Suche nach einer Bar.
Wenn man bis zu ihm vorgedrungen war, stellte der Grand Concourse – der Große Rundgang – den einzigen Ort im Netz dar, wo man gratis farcasten konnte. Jede Welt im Netz hatte mindestens einen ihrer schönsten Großstadtblocks – auf TC 2 waren es ganze dreiundzwanzig Blocks – für Einkaufszentren, Unterhaltung, Luxusrestaurants und Bars vorbehalten. Besonders Bars.
Wie der Fluß Tethys strömte auch der Grand Concourse zwischen Farcasterportalen militärischer Größenordnung – bis zu zweihundert Meter hoch – dahin. Durch eine Schleife war der Effekt der einer unendlichen Hauptstraße, eines hundert Kilometer langen Parcours irdischer Freuden. Man konnte, wie ich an diesem Vormittag, unter der gleißenden Sonne von Tau Ceti stehen und den Concourse entlang in die nachtschlafene Mitternacht von Deneb Drei sehen, wo Neonlichter und Holos leuchteten, und man konnte einen Blick auf die hundertstöckige Main Mall von Lusus werfen, während man gleichzeitig wußte, dahinter lagen die schattigen Boutiquen von God's Grove mit seinem gepflasterten Rundweg und Fahrstühlen zu Treetops, dem teuersten Restaurant im ganzen Netz.
An dem allem lag mir nicht das Geringste. Ich wollte nur eine ruhige kleine Bar finden.
In den Bars von TC 2 wimmelte es zu sehr von Bürokraten, feinen Pinkeln und Geschäftsleuten, daher betrat ich eines der Concourseshuttles und stieg auf der Hauptplattform von Sol Draconi Septem wieder aus. Die Schwerkraft störte viele – sie störte mich –, aber sie bedeutete auch, daß die Bars hier nicht so überfüllt und die Gäste tatsächlich nur zum Trinken hergekommen waren.
Ich entschied mich für eine Bar auf Erdgeschoßhöhe, die fast völlig von Stützsäulen und Wartungskanälen der Haupteinkaufsplattform verborgen wurde, und es war dunkel im Innern: dunkle Wände, dunkles Holz und dunkle Patrones – deren Haut fast so schwarz war wie meine weiß. Es war ein guter Platz zum Trinken, und das tat ich denn auch – ich fing mit einem doppelten Scotch an und machte dann im weiteren Verlauf richtig ernst.
Nicht einmal dort konnte ich Gladstone ganz entkommen. Am anderen Ende des Raums zeigte ein Flachbildschirm das Gesicht der Präsidentin vor einem blaugoldenen Hintergrund, den sie staatlichen Sendungen vorbehielt. Mehrere der anderen Gäste hatten sich versammelt und sahen zu. Ich bekam Bruchstücke der Rede mit: »... um die Sicherheit der Hegemoniebürger zu gewährleisten ... darf nicht zugelassen werden, daß die Sicherheit des Netzes gefährdet wird, und sie unserer Verbündeter in ... daher habe ich einen rückhaltlosen militärischen Gegenschlag autorisiert ...«
»Stellt das verdammte Ding ab!« Zu meinem Erstaunen stellte ich fest, daß ich selbst das gebrüllt hatte. Die Patrones sahen über die Schulter, machten aber leiser. Ich sah einen Moment lang zu, wie sich Gladstones Mund bewegte, dann winkte ich dem Barkeeper und bestellte noch einen Doppelten.
Einige Zeit später, es hätten Stunden sein können, sah ich von meinem Drink auf und stellte fest, daß mir jemand in der dunklen Nische gegenüber saß. Ich brauchte im düsteren Licht blinzelnd einige Augenblicke, bis mir aufging, um wen es sich handelte. Für einen Moment schlug mein Herz schneller, und ich dachte: Fanny, aber dann blinzelte ich wieder und sagte: »Lady Philomel.«
Sie trug immer noch das dunkelblaue Kleid, in dem ich sie beim Frühstück gesehen hatte. Irgendwie schien es jetzt tiefer ausgeschnitten zu sein. Ihr Gesicht und die Schultern schienen im Halbdunkel zu leuchten. »M. Severn«, sagte sie beinahe flüsternd. »Ich bin gekommen, um Ihr Versprechen einzulösen.«
»Versprechen?« Ich winkte dem Barkeeper, aber der reagierte nicht. Ich runzelte die Stirn und sah Diana
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