Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
Philomel an. »Welches Versprechen?«
»Selbstverständlich mich zu malen. Haben Sie Ihr Versprechen auf der Party vergessen?«
Ich schnippte mit den Fingern, aber der unverschämte Barkeeper ließ sich immer noch nicht herab, in meine Richtung zu sehen. »Ich habe Sie gemalt«, sagte ich.
»Ja«, entgegnete Lady Philomel, »aber nicht ganz.«
Ich trank seufzend den letzten Rest Scotch. »Ich trinke«, sagte ich.
Lady Philomel lächelte. »Nicht zu übersehen.«
Ich stand auf, um dem Barkeeper nachzulaufen, überlegte es mir anders und setzte mich langsam wieder auf das verwitterte Holz der Bank. »Armageddon«, sagte ich. »Sie spielen mit Armageddon.« Ich sah die Frau eingehend an und kniff etwas die Augen zusammen, damit sie deutlich wurde. »Kennen Sie dieses Wort, m'Lady?«
»Ich glaube nicht, daß er Ihnen noch Alkohol ausschenken wird«, sagte sie. »Ich habe Drinks bei mir zu Hause. Sie könnten was haben, während Sie mich malen.«
Ich blinzelte noch einmal, dieses Mal listig. Ich hatte vielleicht ein paar zuviel getrunken, aber die hatten meinen gesunden Menschenverstand nicht beeinträchtigt. »Ehemann«, sagte ich.
Diana Philomel lächelte wieder, und wieder strahlend. »Verbringt einige Tage im Regierungshaus«, sagte sie und flüsterte jetzt wirklich. »In so wichtigen Zeiten kann er es sich nicht leisten, weit vom Zentrum der Macht entfernt zu sein. Kommen Sie, mein Vehikel wartet draußen.«
Ich kann mich nicht erinnern, daß ich bezahlt habe, gehe aber davon aus. Oder Lady Philomel hat es getan. Ich kann mich nicht daran erinnern, daß sie mir nach draußen geholfen hat, gehe aber davon aus, daß es jemand getan haben muß. Möglicherweise ein Chauffeur. Ich kann mich an einen Mann in grauer Tunika und ebensolchen Hosen erinnern, und weiß noch, daß ich mich an ihn gelehnt habe.
Das EMV verfügte über einen Kuppelaufbau, der von außen polarisiert war, aber von innen, wo wir auf Plüschkissen saßen, durchsichtig. Ich zählte ein, zwei Portale, und dann hatten wir den Concourse hinter uns gelassen und stiegen über blauen Feldern unter einem gelben Himmel höher. Geräumige Villen aus einem ebenholzähnlichen Material standen auf Hügeln inmitten von Mohnfeldern und bronzefarbenen Seen. Renaissance Vector? Dieses Rätsel war momentan zu schwierig, daher gab ich es auf, legte den Kopf an die Kuppel und beschloß, ein paar Augenblicke auszuruhen. Mußte ausgeruht sein für Lady Philomels Porträt ... he, he.
Die Landschaft zog unter uns dahin.
5
Oberst Fedmahn Kassad folgt Brawne Lamia und Pater Hoyt durch den Staubsturm zum Jadegrab. Er hat Lamia angelogen; sein Nachtvisier und die Sensoren funktionieren ausgezeichnet trotz der elektrischen Entladungen, die um sie herum flackern. Den beiden zu folgen schien ihm die beste Möglichkeit zu sein, zum Shrike zu gelangen. Kassad erinnerte sich an die Felslöwenjagd auf Hebron – man band eine Ziege fest und wartete.
Daten der Sensoren, die er um das Lager herum aufgestellt hat, flackern auf Kassads taktischem Display und flüstern durch sein Implantat. Es ist ein kalkuliertes Risiko, Weintraub und dessen Tochter, Martin Silenus und den Konsul schlafend zurückzulassen – und ungeschützt, abgesehen von automatischen Anlagen und einem Alarm. Aber Kassad hat ernste Zweifel, ob er das Shrike im Zweifelsfall aufhalten könnte. Sie sind alle festgebundene Ziegen, die warten. Kassad ist entschlossen, die Frau zu finden, das Phantom namens Moneta, bevor er stirbt.
Der Wind hat ständig zugenommen, jetzt heult er um Kassad herum, reduziert die normale Sicht auf Null und bombardiert den Schutzpanzer. Entladungen leuchten in den Dünen, Miniaturblitze jagen knisternd über seine Stiefel und Beine, während er forsch ausschreitet, damit er Lamias Wärmespur nicht aus den Augen verliert. Informationen strömen aus ihrem offenen Komlog herein. Hoyts abgeschottete Kanäle beweisen nur, daß er am Leben und in Bewegung ist.
Kassad schreitet unter dem ausgestreckten Flügel der Sphinx hindurch und spürt das unsichtbare Gewicht über sich, das wie ein Stiefelabsatz verweilt. Dann geht er das Tal hinab und sieht das Jadegrab als Fehlen von Wärme im Infrarotbereich, als kalten Umriß. Hoyt betritt gerade die halbkreisförmige Öffnung; Lamia ist zwanzig Meter hinter ihm. Sonst bewegt sich nichts in dem Tal. Die Sensoren im Lager, die hinter Kassad von Nacht und Sturm verborgen werden, vermelden, daß Sol und das Baby schlafen und der Konsul
Weitere Kostenlose Bücher