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Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion

Titel: Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Maschinen.«
     

44
     
    Der Tod ist, wie ich herausfand, kein angenehmes Erlebnis. Als ich die vertrauten Zimmer der Piazza di Spagna und den rasch abkühlenden Leichnam dort verließ, war das, als würde man durch Feuersbrunst oder Flut aus der behaglichen Wärme des eigenen Zuhauses vertrieben werden. Der Ansturm von Schock und Entwurzelung ist schlimm. Ich wurde kopfüber in die Metasphäre geschleudert und verspürte das Gefühl von Scham und plötzlicher, peinlicher Erkenntnis, das wir alle aus Träumen kennen, wenn uns bewußt wird, wir haben vergessen, uns anzuziehen und sind nackt an einem öffentlichen Ort oder einer gesellschaftlichen Zusammenkunft erschienen.
    Nackt ist jetzt genau das richtige Wort, als ich versuche, die Form meines auseinanderstrebenden Persönlichkeitsanalogons zu erhalten. Es gelingt mir, mich hinreichend zu konzentrieren, daß ich diese fast wahllose Elektronenwolke von Erinnerungen und Assoziationen zu einem ausreichenden Simulakrum des Menschen formen kann, der ich gewesen bin – oder zumindest doch des Menschen, an dessen Erinnerungen ich teilhatte.
    Mister John Keats, einsfünfundsiebzig groß.
    Die Metasphäre ist nicht weniger furchteinflößend als zuvor – schlimmer, da ich keine sterbliche Zuflucht mehr besitze, wohin ich fliehen könnte. Gewaltige Schemen bewegen sich hinter dunklen Horizonten, Geräusche hallen in der Bindenden Leere wider wie Schritte auf Fliesen in einem leerstehenden Schloß. Unter und hinter allem ertönt ein nervtötendes Grollen wie von Droschkenreifen auf Straßen aus Schiefer.
    Armer Hunt. Ich bin versucht, zu ihm zurückzukehren, hineinzuplatzen wie Marleys Geist, um ihm zu versichern, daß es mir besser geht, als ich aussehe, aber im Augenblick ist die Alte Erde ein gefährlicher Aufenthaltsort für mich: Die Präsenz des Shrike brennt auf der Dateiebene der Metasphäre wie Flammen auf schwarzem Samt.
    Der Core ruft mich mit noch größerem Nachdruck, doch dort ist es noch gefährlicher. Ich erinnere mich, wie Ummon den anderen Keats vor Brawne Lamia vernichtet hat – wie er das Persönlichkeitsanalogon zermalmte, bis es sich einfach auflöste und die Core-Erinnerung des Mannes zusammenschrumpelte wie eine Schnecke, auf die man Salz streut.
    Nein danke.
    Ich habe den Tod dem Gottsein vorgezogen, muß aber noch Aufgaben erledigen, bevor ich schlafen kann.
    Die Metasphäre macht mir Angst, der Core macht mir noch mehr Angst, die dunklen Tunnel der Datensphärensingularitäten, die ich bereisen muß, erschrecken mich bis in meine Knochenanaloge. Aber es hilft nichts.
    Ich tauche in den ersten schwarzen Kegel hinein, wirbel herum wie ein sprichwörtliches Blatt in einem allzu realen Wirbelsturm und komme zwar auf der richtigen Dateiebene heraus, bin aber zu benommen und schwindlig, daß ich mehr tun als dasitzen könnte – sichtbar für alle KIs des Core, die sich in die ROMwork-Ganglien einklinken, und für alle Phagenwächter, die in den violetten Klüften jedes beliebigen Datenbergs hausen könnten –, aber das Chaos im TechnoCore rettet mich hier: Die großen Persönlichkeiten des Core sind so beschäftigt damit, ihre eigenen persönlichen Trojas zu belagern, daß sie ihren Hintertüren keine Beachtung schenken.
    Ich finde die Zugangscodes zur Datensphäre, die ich will, sowie die Synapsennabelschnüre, die ich brauche, und danach ist es eine Arbeit von MikroSekunden, den alten Pfaden nach Tau Ceti Center zu folgen, dort in die Krankenstation im Regierungshaus und in die drogeninduzierten Träume von Pater Paul Duré zu gelangen.
    Eines kann meine Persönlichkeit außergewöhnlich gut, nämlich träumen, und ich finde durch Zufall heraus, daß meine Wanderung durch Schottland eine angenehme Traumlandschaft bildet, in der ich den Priester davon überzeugen kann, daß er fliehen muß. Als Engländer und Freigeist hatte ich einst alles abgelehnt, was nach Papismus roch, aber eines muß man den Jesuiten lassen – man bringt ihnen Gehorsam vor Logik bei, und das steht der Menschheit endlich einmal gut zupaß. Duré fragt nicht warum, als ich ihn auffordere zu gehen ... er wacht wie ein guter Junge auf, schlingt eine Decke um sich und geht.
    Meina Gladstone betrachtet mich als Joseph Severn, akzeptiert meine Nachricht aber, als würde sie ihr von einem Gott zuteil werden. Ich will ihr sagen, nein, ich bin nicht der Eine, ich bin nur Der Zuvor Kommende, aber es kommt auf die Nachricht an, daher überbringe ich sie und gehe wieder.
    Als ich auf

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