Die Hyperion-Gesänge 02 - Der Sturz von Hyperion
Ereignisse.«
»Haben Sie daran gezweifelt?«
Sie legte den Arbeitstaster weg, den sie in der Hand gehalten hatte, schaltete ihn ab und schüttelte den Kopf.
»Eigentlich nicht, aber es ist dennoch ein Schock, etwas zu hören, von dem niemand sonst im ganzen Netz etwas weiß.«
»Warum haben Sie ihnen das Schiff des Konsuls verweigert?«
Gladstone drehte sich um und sah zum Fenster, wo sich die taktische Anzeige veränderte, als Aktualisierungen das Vordrängen von Rot, den Rückzug von Blau und die Bewegung von Planeten und Monden berücksichtigten, aber selbst wenn sie es vorgehabt hätte, bezog sie die militärische Situation nicht in ihre Erklärung mit ein. »Weshalb sollte ich Ihnen Regierungsentscheidungen erklären, M. Severn? Was ist Ihr Status? Wen repräsentieren Sie?«
»Ich repräsentiere die fünf Erwachsenen und das Baby, die Ihretwegen auf Hyperion gestrandet sind«, sagte ich. »Hoyt hätte gerettet werden können.«
Gladstone ballte die Faust und klopfte mit dem gekrümmten Zeigefinger auf die Unterlippe. »Vielleicht«, sagte sie. »Vielleicht war er auch schon tot. Aber darum geht es nicht, oder?«
Ich lehnte mich auf dem Sessel zurück. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht und den Skizzenblock mitgebracht, aber jetzt sehnte ich mich danach, etwas in den Fingern zu halten. »Worum dann?«
»Erinnern Sie sich an Pater Hoyts Geschichte ... die er im Verlauf der Reise zu den Gräbern erzählt hat?«
»Ja.«
»Jedem Pilger ist gestattet, dem Shrike eine Bitte vorzutragen. Die Legende behauptet, daß das Shrike einen Wunsch gewährt, die anderen aber ablehnt und diejenigen tötet, die sie ausgesprochen haben. Erinnern Sie sich an Hoyts Wunsch?«
Ich überlegte. Mir Begebenheiten aus der Vergangenheit der Pilger zu vergegenwärtigen war, als wollte ich mich an die Träume der letzten Woche erinnern. »Er wollte, daß die Kruziformen entfernt werden«, sagte ich. »Er wollte Freiheit für Pater Durés ... Seele, DNS, was auch immer ... und für sich selbst.«
»Nicht ganz«, sagte Gladstone. »Pater Hoyt wollte sterben.«
Ich stand auf, wobei ich fast den Stuhl umstieß, und schlenderte zu der pulsierenden Karte. »Das ist vollkommener Quatsch«, sagte ich. »Selbst wenn es so wäre, hätten die anderen die Verpflichtung gehabt, ihn zu retten ... und Sie auch. Sie haben ihn sterben lassen.«
»Ja.«
»So wie sie die anderen sterben lassen?«
»Nicht unbedingt«, sagte Präsidentin Meina Gladstone. »Das ist ihre Entscheidung ... und die des Shrike, falls dieses Wesen wirklich existiert. Ich weiß nur, ihre Pilgerfahrt ist beim momentanen Stand der Dinge so wichtig, daß ich ihnen im Augenblick der Entscheidung kein ... Fluchtmittel gestatten kann.«
»Wessen Entscheidung? Ihre? Wie können das Leben von sechs oder sieben Menschen – und einem Baby – das Schicksal einer Gesellschaft mit hundertfünfzig Milliarden Lebewesen beeinflussen?« Ich kannte die Antwort darauf natürlich. Das Beraterkonzil der KI und die nicht ganz so vernunftbegabten Ratgeber der Hegemonie hatten die Pilger sehr gründlich ausgewählt. Aber weshalb? Unvorhersehbarkeit. Sie waren Unbekannte, die in die ganze rätselhafte Gleichung des Hyperion-Systems paßten. Wußte Gladstone das, oder wußte sie nur, was Ratgeber Albedo und ihre eigenen Spione ihr erzählten? Ich kehrte seufzend zu meinem Sessel zurück.
»Haben Sie in Ihrem Traum das Schicksal von Oberst Kassad erfahren?« fragte die Präsidentin.
»Nein. Ich erwachte, bevor sie zur Sphinx aufbrachen, um Schutz vor dem Unwetter zu suchen.«
Gladstone lächelte verhalten. »Ihnen ist selbstverständlich bewußt, M. Severn, daß es für unsere Zwecke weitaus bequemer wäre, Sie unter Beruhigungsmittel zu setzen, Ihnen dieselbe Wahrheitsdroge einzugeben, die Ihre Freundin Philomel benutzt hat, und Sie mit Subvokalisierern zu verbinden, damit wir konstantere Berichte über die Geschehnisse auf Hyperion bekommen.«
Ich erwiderte das Lächeln. »Ja«, sagte ich, »das wäre bequemer. Aber es wäre nicht so bequem für Sie, wenn ich über die Datensphäre in den Core fliehen und meinen Körper zurücklassen würde. Und genau das werde ich tun, sollte ich wieder unter Druck gesetzt werden.«
»Selbstverständlich«, antwortete Gladstone. »Ich würde unter solchen Umständen ganz genau so handeln. Sagen Sie mir, M. Severn, wie ist es im Core? Wie ist es an jenem fernen Ort, wo Ihr Bewußtsein seinen wahren Sitz hat?«
»Hektisch«, sagte ich. »Wollten Sie
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